Die Idee klingt spektakulär: Quad­rat­kilometer von Solarpaneelen in der Wüste Nordafrikas und Stromleitungen nach Europa. Aber wie realistisch ist das Modell? Und ist der Vorschlag nicht nur spektakulär, sondern auch gut? Der Journalist, Autor und Solarenergie-Apostel Franz Alt hält wenig davon.
Dieser Artikel wurde am 29. August 2012 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Nicht in der Wüste sollen die großen Konzerne Sonnenkraft in Strom umwandeln und über Interkontinentalleitungen nach Europa liefern, sondern auf allen Dächern der alten Welt sollen Sonnenkollektoren den Strom direkt erzeugen. Diese Forderung stellte Dr. Franz Alt anlässlich der EnergieWendeMesse in Geesthacht am 24. August in einem sehr engagierten Vortrag im Ratssaal der Stadt.

Energiewende heißt Abkehr von den alten Strukturen

An drei Tagen präsentierten sich auf dem Messegelände der Stadt Geesthacht an der Elbe, unweit des inzwischen stillgelegten Kernkraftwerks Krümmel und dem inzwischen reaktivierten Pumpspeicherwerk zahllose Aussteller ihre Produkte für die Erzeugung von Strom, Wärme und Kraftstoffen aus regenerativen Quellen. Parallel wurden permanent Informationsvorträge angeboten, im Rathaus, dem Sitz der Stadtwerke und in dem Konferenzzelt auf dem Messegelände. Vor allem diese Informationen waren ein Kernanliegen der Veranstalter, denn das Geschehen um die – noch – von der Regierung angekündigte Energiewende zeigt, dass die Bürger überhaupt nicht oder völlig falsch informiert sind. Milliarden Euro werden vergeudet für falsche Konzepte und Projekte, die Regierung versucht die alten Monopolkonzerne zu bewegen, Wind- und Solarparks mal wieder zentral im Meer oder der Wüste zu errichten und gewaltige Höchstspannungstrassen zu legen. Gleichzeitig wird behauptet, dass der Strom nun, ohne Kernkraft, für den Bürger immer teurer werden müsse – angeblich alternativlos. Wenn nicht schnellstmöglich eine wirkliche Wende, auch in den Konzepten der bisher noch propagierten Energiewende vollzogen wird, ist das gesamte Programm zum Scheitern verurteilt.

„Die Sonne schickt keine Stromrechnung“

Alle Energie auf der Erde stammt letztlich von der Sonne. Diese schickt uns zudem täglich ein Millionenfaches dessen, was wir überhaupt als Energie nutzen können. Wie aber dieser Überfluss sinnvoll, nämlich nachhaltig genutzt wird, das war Thema der Vorträge. Dr. Franz Alt träumt von Solarpaneelen auf allen Dächern und Südfassaden. Das ist sicher eine nette Idee, doch noch lange nicht nachhaltig. Dies erläuterte Dipl.-Ing. Volker Marx am Tag darauf, indem er kritisch nicht nur die Bedingungen für einen nachhaltige Energienutzung erläuterte, sondern auch erklärte, warum unter Beibehaltung des bestehenden Gesellschaftssystems eine wirklich Wende zu einer nachhaltigen Zukunft nicht zu erwarten ist. Kurz zuvor hatte Rainer Hinrichs-Rahlwes, Präsident des europäischen Verbandes für Erneuerbare Energien und „Konstrukteur“ des inzwischen fast weltweit kopierten Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) dargestellt, wie die Wende in allen Nachbarländern angegangen wird. Extrembeispiel ist dabei Großbritannien, das Atomkraft in die Erneuerbaren mit einbezieht. Hier ist lediglich eine CO2-freie neue Energie geplant, mit einem wachsenden Anteil an Kernenergie. Ähnlich denken viele Staaten der europäischen Union.

Dass aber selbst Wasserkraft nicht Klimaneutral genutzt wird, wenn an den großen Staumauern die angeschwemmte und durch den Stausee überschwemmte Biomasse verrottet und Methan in großen Mengen in die Atmosphäre schickt, wird gern übersehen. Ebenso ist noch immer nicht verbindlich geklärt, wo und wie die Fotovoltaikplatten recycelt oder entsorgt werden. Bisher ist eine nachhaltige Nutzung nicht mal für 1 Prozent der millionenfach importierten Elemente sicher gestellt, zehntausende Tonnen landen nach wie vor als Elektroschrott in den Händen afrikanischer Kinder.

Nur gemeinsam können die Bürger gegen Politik und Konzernmacht bestehen

Professor Volker Ruwisch und Frank Günther demonstrierten an den Beispielen des Bioenergiedorfs Jühnde und den Stadtwerken Bordesholm, wie erfolgreich genossenschaftliche Konzepte die Wende schaffen können. Wenn diese dann noch kompetent beraten werden, überparteilich und vor allem fachübergreifend, ganzheitlich, dann können wirklich nachhaltige Projekte entstehen. Hartmut Bödecker, Vorsitzender des Genossenschaftsverbandes erläuterte dazu, wie einfach eine Genossenschaft zu organisieren, zu gründen und zu führen ist.

Ergänzt wurden diese Grundsatzinformationen durch zahllose Ausstellervorträge, in denen besondere Verfahren, Speichermöglichkeiten und zuletzt auch die energetische „Harmonisierung“ in einem Betrieb vorgestellt wurden. Zwei Vertreter der Kinderaktion „plant fort he planet“ warben dazu um Spenden für ihre weltweite Baumpflanzaktion, durch die in den letzten drei Jahren bereits fast 13 Milliarden Bäume neu gepflanzt wurden.

Im kleinen Geesthacht war also an diesem Wochenende geballte Kompetenz versammelt, die aber leider noch nicht von allzu vielen Bürgern abgefragt wurde. Immerhin am Sonntag herrschte wirklich reger Betrieb auf dem Gelände und am Ende waren die Aussteller und Organisatoren doch noch zufrieden. Die gesamte Organisation war ja von ehrenamtlichen Helfern und dem Kulturverein des Kreises Lauenburg geleistet worden und nicht von professionellen Messeausrichtern. Das war aber der Grund, weshalb dieses Konzept so anders, so engagiert und vielfältig gestaltet worden war. Betriebsblinde Profis hätten ein derart komplettes Konzept sicher nicht zu Wege gebracht, allein aus wirtschaftlicher Perspektive geplant.

„Eine neue Art von Denken ist notwendig, wenn die Menschheit überleben will“

Dieser Satz von Albert Einstein leitete den kritischen Vortrag von Volker Marx ein, stand aber auch über der ganzen Messe. Fast alle Anlagen und Produkte, Konzepte und Ideen, die hier gezeigt wurden, waren anders, als das, was in der Regel auf den großen Messen zu dem Thema gezeigt wird. Hier wurde Kreativität gezeigt und immer waren der BUND, der NABU zugegen, mit dem prüfenden Blick, ob denn die Mitwelt ausreichend respektiert wurde.

Es ist zu wünschen, dass diese Veranstaltung wiederholt wird und das andernorts möglichst viele gleichartige Treffen von kompetenten „Vordenkern“ und Vertretern der entscheidenden staatlichen Stellen mit Herstellern, Dienstleistern und vielen Bürgern stattfinden. Nur so lässt sich die Information wirklich zu den Menschen bringen, weil Fehlinformationen gleich ausgeschlossen oder eben „entlarvt“ werden und die Bürger Gelegenheit wirklich alternative und vor allem nachhaltige Lösungen zu finden. Weder das bisherige Denken, noch das aktuelle Gesellschafts- und Wirtschaftssystem werden eine wirkliche Wende zulassen. Es wird lediglich möglichst kleine Korrekturen geben, die den Menschen als „das eben noch Machbare“ verkauft werden. Zu befürchten ist jedoch, dass letztlich wird alles beim Alten bleiben und selbst die bisherigen „grünen Lösungen“ sind noch lange nicht als Nachhaltig zu bezeichnen. Das wurde in diesen drei Tagen in Geesthacht allen Teilnehmern und Besuchern deutlich.

Weitere Informationen sind zu finden:

http://www.energiewende-messe.de/

http://www.bioenergiedorf.info/index.php?id=startseite

http://www.fnr.de/

http://www.izne.uni-goettingen.de/

http://www.kommunal-erneuerbar.de/

http://www.unendlich-viel-energie.de/

http://www.100-ee.de/

http://www.sonnenseite.com/