Kraftwerke sind reine Zweckbauten, landschaftsverschandelnde Betonklötze und deshalb weit außerhalb der Städte angesiedelt. Ein Vorurteil. Dass es auch anders geht, beweisen originelle wie gelungene Vorzeigeprojekte, die im urbanen Raum funktioneren und für Architekturbüros weltweit eigentlich als Anreiz fungieren müssten.
Soziale Verantwortung kann auch Spaß machen, sagte sich der dänische Architekt Bjarke Ingels und entwarf für die Müllverbrennungsanlage Kopenhagens ein ganz besonderes Projekt. Vier Monate Nachtfrost und ausreichend Schnee wären die besten Voraussetzungen zum Skifahren in der dänischen Hauptstadt, nur fehlt die entsprechende Topografie. Genau daran knüpft Ingels Projekt an. Das Dach der Anlage wird somit kurzerhand zur Skipiste umfunktioniert, die mit drei verschiedenen Schwierigkeitsstufen für alle Skifahrer befahrbar sein soll – und sogar eine Buckelpiste ist eingeplant. Skifahren mitten in der Stadt also – das bringt zum einen mehr Lebensqualität, die ökologischem Lifestyle oft abgesprochen wird, spart zum anderen noch CO2, da das nächste Skigebiet gute fünf Autostunden entfernt in Schweden liegt. Bis 2016 soll das Müllheizkraftwerk fertig gestellt werden und ersten Ski-Fans mit dem Lift zum Gipfel in 100 Metern Höhe fahren können.
Schräger Hingucker in Wien und Osaka
Nach einem Großbrand in der Müllverbrennungsanlage Spittelau wurde der Künstler Friedensreich Hundertwasser 1987 mit der Neugestaltung des Komplexes beauftragt. Die ursprünglich für die Versorgung des nahegelegenen Krankenhauses errichtete Anlage ist mit seiner außergewöhnlichen Fassade der zweitgrößte Erzeuger im Fernwärmeverbundnetz Wiens und aufgrund seiner Architektur mittlerweile zur Touristenattraktion avanciert.
Und das Konzept hat Nachahmer gefunden: In Osaka (Japan) wurde im Rahmen des Maishima Island Projekts vom Architekten Showa Sekkei eine ökologische Müllverbrennungsanlage geplant und Hundertwasser ebenfalls mit der künstlerischen Gestaltung des Gebäudes betraut. Neben der Anlage selbst sind dort drei Stockwerke einer Art Erlebniswelt gewidmet, um den Besuchern – vor allem Schulklassen – Abfallprobleme näher zu bringen.
Idylle am Wörthersee
Zwischen Pörtschach und Velden am Wörthersee steht das Forstsee-Kraftwerk, das von 1923 bis 1925 erbaut bewusst auf die landschaftliche Situation Rücksicht nimmt und Unwissenden erst auf den zweiten Blick seine Funktion enthüllt. Als Villenarchitektur angelegt schuf Architekt Franz Baumgartner mit der besonderen Gestaltung des Speicherkraftwerks einen Prototyp, der vor allem in den 30er-Jahren in der Region oft kopiert wurde. Seit 1998 kann das Kraftwerk besichtigt und der umliegende Parkrk zum Spazieren genutzt werden.
Delfter Keramik bei Utrecht
Mitten in Roombeek bei Utrecht steht das „Stadshaard“, das wörtlich übersetzt so viel wie „Kamin der Stadt“ heißt. Bewusst im Stadtzentrum angesiedelt erzeugt dieses Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk mit zwei Gasturbinen nach Bedarf Elektrizität und versorgt gleichzeitig die Häuser der Siedlung mit Wärme. Das Büro de Architekten Cie. zeichnet für die Architektur verantwortlich, die in Zusammenarbeit mit dem für seine Spray- und Stencilkunst bekannte Hugo Kaagman umgesetzt wurde. Kaagman besetzte das Gebäude bis zum obersten Punkt des 40 Meter hohen Schornsteins mit Keramikfliesen, deren Designs an die im 17. Jahrhundert bekannt gewordenen Delfter Tonwaren erinnern und mit seinen Motiven Bezug auf das alltägliche Leben Roombeeks nehmen.
Mehr Kraftwerke:
- Kraft-Wärme-Kopplung als Lösung?
- Fernwärme Roskilde
- Biomasse-Kraftwerk in Wien Simmering
- Sonnenenergie aus Simmering
- Wellenkraftwerke: Die Zukunft?
- Historisch: Battersea Power Station
- Alternativen zur Atomkraft I – das Wasser
- Alternativen zur Atomkraft II – Wind
- Alternativen zur Atomkraft III – Sonne