Joannes Liebermann leitete das Projekt zum Wasserstoffbus-Test der Wiener Linien. Foto: © Nejc Lasič
Joannes Liebermann leitete das Projekt zum Wasserstoffbus-Test der Wiener Linien. Foto: © Nejc Lasič
Gemeinsam mit Wien Energie und den Wiener Netzen setzen die Wiener Linien nun auf eine besondere Strategie: Neben dem Ausbau der Elektroflotte ist vor allem der Wasserstoffbus zentrales Element davon. Mehr dazu weiß Profi Joannes Liebermann.
Dieser Artikel wurde am 14. August 2020 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Wenn es um Premieren im öffentlichen Verkehr geht, dann sollte man sich an Johannes Liebermann wenden. Seit 2018 zeichnete er als Projektleiter für die ersten autonom fahrenden Busse Wiens verantwortlich, die noch bis Juli 2021 in der Seestadt getestet werden. Als Fachassistent jener Wiener Linien-Abteilung, die sich um die Bus-Flotte kümmert, war er dieses Jahr ein weiteres Mal zentral an einer Öffi-Premiere beteiligt: Er leitete das Projekt, mit dem ein Wasserstoffbus auf Herz und Nieren – bzw. auf Reichweite und Praktikabilität – getestet wurde. 

Wie der Wasserstoffbus dabei abgeschnitten hat, ob ein solcher Antrieb Teil des öffentlichen Wiener Verkehrsnetzes werden könnte und welche Umweltmaßnahmen noch im Bereich der Busflotten getroffen werden, verrät Profi Johannes Liebermann.

Herr Liebermann: Im Bereich der Emissions-Reduktion – was gibt’s da Neues im Sektor des öffentlichen Verkehrs, bzw. konkret im Bereich der Öffi-Busse? 

„Tatsächlich einiges, wenn man sich unsere Strategien und Maßnahmen hinsichtlich des Ziels ansieht, auf lange Sicht gar keine Emissionen im öffentlichen Stadt-Verkehr mehr zu erzeugen. Wir verfolgen bei den Bussen zwei Stoßrichtungen: Die eine ist der Ausbau der Busse mit Elektroantrieb, die andere ist der Einsatz von mit Wasserstoff betriebenen Bussen. Wasserstoff klingt dabei am Papier als emissionsfreier Antrieb für einen Verkehrsbetrieb immer sehr verlockend. Denn die Batterietechnik alleine ist heute nicht imstande, eine mit Diesel vergleichbare Energiedichte sicherzustellen und deswegen ist es notwendig, andere Energieträger und Versorgungstechniken zu finden. Eine Batterie ist außerdem groß und irgendwann muss ein Verkehrsbetrieb abwägen, ob er Batterien oder Fahrgäste spazieren fahren möchte. Wasserstoff könnte hier ein Teil der Antwort sein. Die Ergebnisse am Papier dazu sind vielversprechend. Aber Papiere versprechen viel. Wir wollten das natürlich in der Realität überprüfen.“

Wie überprüft man so etwas in der Realität? Wasserstoffbusse fallen ja nicht direkt vom Himmel.

„Richtig. Es gibt im Moment tatsächlich auch nur ein konkretes Modell, das in Europa gebaut wurde und damit unter realen Bedingungen getestet werden kann. Solaris hat zwar bereits mehrere Wasserstoffbusse verkauft, aber aktuell gibt es eben erstmal nur diesen einen Prototypen, der als heilige Kuh gehandelt wird und durch die Länder des Kontinents gereicht wird. Gerade noch hatten wir ihn zu Testzwecken, aktuell ist er wieder im polnischen Werk unterwegs und bald schon in Berlin.“

Reale Bedingungen, wie haben diese ausgesehen, als die heilige Wasserstoffkuh in Wien herumgefahren ist? 

„Wir wollten uns prinzipiell selbst ein realistisches Bild machen von den Gegebenheiten, denn im Hochglanzprospekt stehen die Ergebnisse der Laborbedingungen. Wir haben uns die Linie 39A als Testlinie ausgesucht, um gleich alle Herausforderungen, die auf einen Linienbus der Wiener Öffis zukommen können, abzudecken: In dem Fall eine Linie mit starken Steigungen und kurzen Abständen zwischen den Haltestellen, bei dem ein Bus häufig an- und abfahren muss. Und ich möchte sagen, der Wasserstoffbus hat all diese Hürden im zweiwöchigen Testbetrieb gut gemeistert. Er war auch recht beliebt, viele Leute wollten unbedingt mitfahren und haben mehrere Busse abgewartet, bis endlich der Wasserstoffbus kam, um mit ihm zu fahren.“ (lacht) 

Manche Fahrgäste warteten mehrere Busse ab, um sich persönlich von der Ausstattung des Test-Busses zu überzeugen. Foto: © Manfred Helmer/Wiener Linien
Manche Fahrgäste warteten mehrere Busse ab, um sich persönlich von der Ausstattung des Test-Busses zu überzeugen. Foto: © Manfred Helmer/Wiener Linien

Warum war es den Wiener Linien überhaupt so wichtig, diesen Testbetrieb aufnehmen zu können?

„Weil die Vorteile des Wasserstoffantriebs durchaus auf der Hand liegen. Im Verhältnis zu E-Bussen habe ich etwa eine sehr kurze Betankungszeit: Beim Wasserstoffbus beträgt sie ungekühlt nur zehn Minuten für 25 Kilogramm. Und mit denen sind wir in unserem Reichweitentest auf 399 Kilometer gekommen. Wir hatten zwar ideale Witterungsbedingungen, sprich wir mussten weder viel heizen noch viel kühlen, aber diese Reichweite kommt fast schon in Dieselnähe und das ist wiederum etwa die doppelte Reichweite von E-Bussen. Im Winter habe ich beim Wasserstoffbus auch noch den extremen Vorteil, dass ich die Abwärme des Brennstoffsystems zum Heizen nutzen kann. Im elektrisch betriebenen Bus braucht es dafür eine Wärmepumpe, deshalb hat er auch mehr Probleme im Winter, weil ich eben keine Abwärme habe, sondern die Wärme auf Kosten der Reichweite erzeugen muss. Dafür schafft der Wasserstoffbus wiederum im Sommer aufgrund der Klimaanlage weniger Reichweite als im Winter. Ein weiterer Vorteil des Wasserstoffbusses ist, dass er ebenso leise ist und im Vergleich zum Dieselbus für Anrainer und Anrainerinnen natürlich super angenehm ist, weil man ihn auch dann nicht hört, wenn er anfährt, wo der Motor ja die meiste Kraft braucht.“

Emissionsfrei, leise, reichweitenstark – die Vorteile liegen also auf der Hand. Welche Erkenntnisse konnten nun aber aus dem realen Betrieb gewonnen werden?

„Der Test hat auf jeden Fall gezeigt, dass unsere Dieselbusflotte auf den meisten Wiener Strecken eins zu eins durch eine Wasserstoffflotte ersetzt werden könnte. Und das konnte in Wien mit dem Wasserstoffbus erstmals im realen Linienbetrieb mit Fahrgästen und kurzen Haltestellen gezeigt werden. Nicht im Labor, sondern eben ,on the road’. Wir waren sowohl von der Reichweite als auch von der Betankungszeit überzeugt. Und auch der Preis hat uns positiv überrascht, der war etwas günstiger als angenommen. Auch wenn die Wasserstofftechnik an sich nicht neu ist und es bereits vor 120 Jahren Versuche gab, so wird die Technik erst jetzt langsam für Mobilitätsanwendungen erschwinglich. Konkret reden wir von etwa dem doppelten Anschaffungspreis von Batterie- und dreifachen Preis von Wasserstoffbusse im Vergleich zu Dieselbussen. Was nun langfristig billiger kommen wird, gleicht ein bisschen einem Glaskugelblick: Es gibt Studien, die sagen, dass in fünf bis zehn Jahren ein Wasserstofffahrzeug günstiger werden wird als ein mit Batterie betriebenes und es gibt Studien, die das Gegenteil sagen. Es ist derzeit eine reine Glaubensfrage, was in Zukunft billiger wird.“

Wie geht es jetzt weiter? 

„2023 sollen insgesamt zehn Wasserstoffbusse durch Wien fahren. Selbstverständlich gilt es hier, noch gewisse Herausforderungen zu lösen. Zu der gehört auch die Infrastruktur. Das ist ein bisschen ein Henne-Ei-Problem. Es gibt kaum Wasserstofftankstellen, denn die Tankstellen sagen, es gibt ja keine Fahrzeuge dafür. Die werden wiederum nicht angeschafft, weil es keine Tankmöglichkeiten gibt. Im Moment gibt es landesweit überhaupt nur eine Wasserstofftankstelle für Nutzfahrzeuge wie LKW und Busse mit der Hälfte des Systemdrucks von PKW-Tankstellen – und die befindet sich in Graz. An dieser Stelle muss man die Wiener Netze und Wien Energie nennen, die uns hierbei unterstützt haben. Die beiden E-Linien im ersten Bezirk werden auch noch einmal aufgerüstet. Bis 2027 sollen so insgesamt 82 Fahrzeuge Fahrgäste emissionsfrei öffentlich befördern.“ 

Zehn solcher Wasserstoffbusse sollen in drei Jahren Teil der Wiener Linien Bus-Flotte sein. Foto: © Manfred Helmer/Wiener Linien
Zehn solcher Wasserstoffbusse sollen in drei Jahren Teil der Wiener Linien Bus-Flotte sein. Foto: © Manfred Helmer/Wiener Linien

Wie stehen Sie persönlich zu dem emissionsfreien Energiekonzept der Wiener Linien?

„Als Wiener finde ich es natürlich toll, wenn Fahrzeuge an mir vorbei fahren, die nicht stinken und keinen Ausstoß haben. Man muss allerdings realistisch bleiben und klar sagen, dass wir als Wiener Linien alleine das Klima nicht retten können. Der öffentliche Verkehr ist gerade einmal für ein Prozent des CO2-Ausstoßes in Wien verantwortlich. Außerdem müssen wir meiner Ansicht nach sehr genau schauen, woher der Treibstoff bzw. der Strom für die Batterien kommt und wie er erzeugt wird. Letztlich arbeiten wir immer weiter an einem möglichst nachhaltigen Konzept. Derzeit testen wir beispielsweise gerade mit der TU Wien GTL-Diesel sowie mit der Wien Energie CO2-neutralen synthetischen Diesel. Das Antriebsproblem zu lösen, wird alleine das Klima nicht retten und vor allem auch das Platzproblem nicht ändern, das neben den Emissionen gerade in den Städten ein großes Thema ist: Wenn man sich die Blechlawine auf der Tangente anschaut, dann ist es eben auch ein Platzproblem und kein reines Antriebsproblem. Es bräuchte hier ein klares Umdenken und Verhaltensänderungen: Wenn alle gleichzeitig in die Stadt rein- und rauspendeln, haben wir zumindest zweimal am Tag einen Verkehrsinfarkt, während die Verkehrsinfrastruktur ansonsten vom Individualverkehr eher ungenutzt ist. Da müssen inhaltliche Anreize geschafft werden, durch die genau das geändert werden kann.”

Fotos: © Nejc Lasič (1) , Manfred Helmer/Wiener Linien (2)


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