Wenn Univ. Prof. Dr. Bruno K. Podesser einen Blick in seinen Kalender wirft, dauert es eine Zeit, bis der Facharzt für Chirurgie und Herzchirurgie ein Zeitfenster für ein Interview findet. Als Vorstand des Zentrums für Biomedizinische Forschung an der Medizinische Universität Wien ist der Chirurg ständig im Einsatz. Trotzdem hat sich der Mediziner die Zeit genommen, um mit uns darüber zu sprechen, warum Schweineherzen in der medizinischen Forschung so wichtig und dabei so begehrt sind. Denn obwohl in Österreich jährlich mehrere Millionen Schweine für den späteren Verzehr geschlachtet werden, sind die Herzen der Tiere für die Forschung gar nicht so einfach zu kriegen.
Gibt es einen Grund dafür, dass hauptsächlich an Herzen von Schweinen geforscht wird?
„Man könnte theoretisch auch an Kalbsherzen forschen. Ein Rinderherz hingegen wäre viel zu groß. Der Grund, warum wir hauptsächlich mit Schweineherzen arbeiten, ist schlicht und einfach, dass Schweineherzen noch am ehesten verfügbar sind.“
Etwa fünf Millionen Schweine werden jährlich in Österreich gewerblich geschlachtet. Da könnte man doch meinen, dass es Schweineherzen im Überfluss für die Forschung gibt?
„Das ist ein Trugschluss. Denn all diese Schweine, die für den Verzehr bestimmt sind, werden in Österreich auf Trichinenlarven untersucht. Die Trichinen sind kleine Fadenwürmer, mit denen wir Menschen uns infizieren können, wenn wir etwa zu wenig erhitztes Fleisch eines befallenen Tieres zu uns nehmen. Für die gesetzlich vorgeschriebene Untersuchung jedes Schweines auf diesen Parasiten müssen vom Fleischhauer und Amtstierarzt die Schweineherzen auf besondere Art begutachtet werden. Die Schweineherzen aus den großen Schlachthöfen sind also meist aufgeschnitten. Und ein aufgeschnittenes Herz eignet sich dann vielleicht noch für ein klassisches Wiener Beuschel, aber eben nicht mehr für die Forschung.“
Wie kommt die Medizinische Universität dann an die begehrten Schweineherzen?
„Wenn wir Herzen verwenden, dürfen diese wie erwähnt immer nur herausgeschnitten aber niemals aufgeschnitten sein. Wir sind dazu also auf kleine Bauern angewiesen, die oft noch am Hof selbst schlachten. Auch Hausschlachtungen unterliegen in Österreich strengen Regeln, aber wenn uns ein Bauer oder ein kleiner Schlachthof Schweineherzen zur Verfügung stellt, dann weiß derjenige neben seinen gesetzlichen Vorgaben eben auch ganz genau, wie er das Herz für uns vorbereiten muss, damit wir damit arbeiten können. Die Schweine, mit denen wir arbeiten, werden teilweise eigens für uns gezüchtet. Die Forschung an Tieren bringt dann neue Erkenntnisse oder ermöglicht das Erlernen von speziellen chirurgischen Fertigkeiten.“
Apropos „Forschung an den Tieren“: Was genau passiert dann mit den Schweineherzen?
„Als Mediziner stehen wir immer wieder vor der Situation, dass es zum Beispiel neue Implantate wie Herzklappen oder Gefäßprothesen gibt, die irgendwann Patienten implantiert werden sollen. Neue Implantate bedingen oft neue Techniken. Bevor wir diese an Patienten „ausprobieren“, werden diese ersten Schritte dann am Simulator, am Schweineherz oder am ganzen Schwein trainiert, welches in tiefer Narkose unter kompletter Schmerzfreiheit operiert wird. Aber es geht nicht nur um neue Techniken, sondern auch um junge Kollegen, die gerade am beruflichen Weg in die Herzchirurgie sind. Sie können am Schweineherz erstmals überhaupt das Einsetzen einer Herzklappe üben.“
Bevor man an einem Menschen übt, werden also alle notwendigen Schritte am Tier trainiert und gefestigt. Trotzdem: Das Wort „Tierversuch“ ist für viele Menschen ein rotes Tuch.
„Hier muss betont werden, dass wir in Österreich als oberstes Ziel die Vermeidung von Versuchen am Tier haben! Dennoch gibt uns das Tierversuchsgesetz Ausnahmen, unter denen nach sorgsamer Prüfung ganz bestimmte Versuche am Tier durchgeführt werden dürfen. Dazu gehört neben der Grundlagenforschung und Arzneimitteltestung auch das Erlernen von Fertigkeiten und neuen Techniken zur Weiterentwicklung der medizinischen Wissenschaft. Die Gesellschaft hat meiner Meinung nach ein Recht, darüber Bescheid zu wissen, was in den Forschungsinstitutionen des Landes passiert. Und ich darf Ihnen als Vorsitzender der Tierethik-Kommission der Medizinischen Universität Wien sagen, dass wir jeden Antrag zur Durchführung von Versuchen am Tier sehr genau prüfen. Dabei wird vor allem abgewogen, ob der Nutzen des Versuches und die daraus gewonnenen Information das mögliche Tierleid rechtfertigen. Erst wenn dies zweifelsfrei festgestellt ist, geben wir den Antrag ans Ministerium weiter. Dies prüft unabhängig noch einmal und gibt dann eine Bewilligung ad personam – das heißt an den Versuchsleiter. Dieser muss Sorge tragen, dass er den Versuch ordnungsgemäß durchführt – er haftet vor dem Gesetz!“