Wie wir die Kombination der japanischen Tradition von Sashiko und Boro nutzen können, um Reparieren und Upcycling noch besser zu leben.
Dieser Artikel wurde am 18. August 2021 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Sashiko, eine Sticktechnik, und Boro, das reparieren von zerschlissener Kleidung, entstanden in Japan in der Zeit des 17. bis 19. Jahrhunderts. Speziell Boro entwickelte sich vor allem aus einer Notwendigkeit heraus, da Stoffe teuer und aufgrund von Armut nicht leicht zu bekommen waren. Daher wurde jedes kleinste Stück aufgehoben. Viele der Kleidungsstücke wurden so oft repariert, dass sie von einer Generation an die nächste übertragen wurden.

Auch wenn speziell Sashiko häufig einfach nur als eine spezielle Form des Nähens bzw. Stickens gesehen wird, steckt eine Menge Philosophie und Geschichte dahinter. Wie alles zusammenhängt, und wie wir dieses Wissen auch für unseren Alltag nutzen können, werde ich in diesem Beitrag behandeln.

Was ist Sashiko?

Sashiko ist im Wesentlichen eine Sticktechnik, die den Vorstich nutzt. Das bedeutet ein relativ einfaches Auf und Ab der Nadel, wodurch gleich lange Bereiche der Faden sichtbar und nicht sichtbar ist. Speziell sind das die Muster, die daraus entstehen. Oft finden wir diverse Geometrische Formen in den Stichen wieder: Kreise, Spiralen, Würfel, die sich überlappen, oder auch Zick-Zack und Wellen.

Die Basis des Vorstichs ist meist einfach zu erlernen. Die Herausforderung liegt meist im Detail. – Photocredit: flickr.com/Quinn Dombrowski

Die Besonderheit liegt in der Einfachheit und dann doch auch wieder im Detail. Wenn wir uns genauer mit der Technik beschäftigen, spiegelt Sashiko durch seine Einfachheit kombiniert mit der Liebe zum Detail eine Schönheit wider, die Seinesgleichen sucht. Auch die ständige Wiederholung der immer gleichen Muster hat eine ganz besondere Anziehungskraft.

Was ist Boro?

Boro bedeutet sowas wie „Lumpen“ oder zerrissenes Tuch. Im Zusammenhang heißt es, dass Stoffreste genutzt werden, die auf verschlissene Stellen oder Löcher platziert werden, und mit Sashiko so repariert werden, dass die Kleidung weiterhin einer gewissen Ästhetik entspricht. Speziell wenn man wenig zur Verfügung hat, schätzt man dieses noch viel mehr, und möchte aus dem wenigen etwas besonders schönes zaubern.

Durch das ständige reparieren und übereinanderlegen der Stoffe entstand mit der Zeit ein immer stabileres Kleidungsstück, das – wie schon erwähnt – auch an die nächste oder sogar übernächste Generation weitergegeben werden konnte.

Betrachtet man Sashiko separat, ist es oft auf einfärbigem Stoff. Boro hingegen kann speziell in der heutigen Zeit umgesetzt durchaus sehr bunt werden. – Photocredit: flickr.com/Jacque Davis

Die Philosophie und Geschichte

Da die Kombination dieser zwei Techniken aus der Armut und Notwendigkeit heraus entstand, ist es nicht unwesentlich, diese Philosophie und Lebenseinstellung auch mit zu übernehmen. Ähnlich wie beim Yoga, das mehr als nur eine Form der Bewegung ist, ist Sashiko und Boro mehr als nur ein kunstvolles reparieren von Kleidung.

Meist wurde ein mit Indigo natürlich gefärbter Stoff mit einem weißen Faden genutzt. Dies kann als Inspiration dienen, ist aber wenn wir nicht 100% traditionell sein müssen nicht unbedingt notwendig. Wichtig ist aber vor allem, dass wir die Philosophie integrieren. Reparieren bedeutet nicht, dass wir dafür extra neue „Aufbügel-Flicken“ kaufen. Ein Kleidungsstück, das wirklich gar nicht mehr zu retten ist, kann als Quelle für die Flicken dienen.

Auch Dinge, die wie eine Kleinigkeit wirken, wie etwa das Achten auf die Nähnadel spielen dabei eine Rolle. Wer wenig hat, der achtet sehr gut auf alles. Um also eine Reparatur- und Upcycling-Kultur zu leben, ist es auch wichtig, dass wir auch auf unsere Werkzeuge gut achten und weder diese kaputt machen, noch sie verlieren. Es hilft dabei vor allem, wenn wir gar nicht erst 10 Nadeln kaufen, sondern nur ein oder zwei.

Mit Resten aus nicht mehr reparierbaren Kleidungsstücken können auch andere Kunstwerke, wie etwa Untersetzer gemacht werden. – Photocredit: flickr.com/Saké Puppets

Wie wir Sashiko und Boro im Alltag nutzen können

Egal ob es um das Flicken der Jeans, einer Jacke oder eines anderen Kleidungsstücks handelt: nur weil etwas geflickt werden muss, heißt es nicht, dass wir es danach nur noch zu Hause oder in der eigenen Werkstatt anziehen können. Wenn wir aus dem Reparieren eine Kunstform machen, in die Kreativität eintauchen, die uns die reduzierte Notwendigkeit liefert, dann entstehen ganz viele Unikate.

Außerdem können wir aus den Resten, die nicht mehr repariert werden können auch diverse andere Kunstwerke wie Topflappen, Untersetzer oder ähnliches zaubern.

Auch wenn wir uns nicht zu 100% an die genaue Stickmethode halten, und unsere eigenen Ideen mit einfließen lassen, so können wir den Ansatz rund um Sashiko und Boro nutzen. Wenn wir uns beim Reparieren wirklich damit auseinandersetzen, wie wir unsere Kleidung durch das Reparieren noch verschönern können, schaffen wir es dadurch nicht nur, dass wir uns selbst wieder wohl fühlen in unserer (zweiten) Haut. Wir erschaffen dadurch ein Unikat, das gleichzeitig unsere Werte für das nicht Verschwenden von Ressourcen kommuniziert.

Fazit

Reparieren muss kein Verzicht sein. Auch bei Kleidung nicht. Die Tradition rund um Sashiko und Boro zeigt uns sehr deutlich und schön, wie wir sozusagen aus Stroh Gold machen können. Wie wir aus etwas, das andere (und wir früher vielleicht auch), als unbrauchbar angesehen hätten, so bearbeiten können, dass es zu einer Besonderheit, zu einem Kunstwerk wird. Und ganz nebenbei lernen wir auch noch den Wert der einzelnen Materialien mehr und mehr zu schätzen.

Quellen

upcyclestitches.com: Learning Sashiko
japanobjects.com: Sashiko
blog.yingdesign.ch: Sashiko – traditionelle japanische Sticktechnik Schritt für Schritt lernen mit unserer Sashiko Anleitung
studio-koekoek.com: How to sashiko stitch – instructions for beginners
indigoniche.com: Boro stitching introduction
thesprucecrafts.com: Sashiko patterns projects and information