Industriell hergestellte Biowaren geraten in die Mühlen der mafiösen Strukturen.
Dieser Artikel wurde am 4. April 2016 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Der Glaube, man könne mit „Bio“-Waren genauso verfahren, wie mit der herkömmlichen Industrieproduktion – oder dem globalen Handel – ist leider ein Irrglaube. Sobald irgendeine Leistung in ein industrielles oder eben Finanzmarkt-Räderwerk gerät, hat sie ihre Unschuld verloren und beginnt genauso schädlich zu wirken, wie die Massen-Konsumprodukte zuvor. „Dem eindimensionalen Technikoptimismus, z.B. aus Silikon Valley, glaubt außer den digitalen Junkies keiner mehr, weil inzwischen jede Großtechnik der Moderne vor aller Augen ihre üblen Nebenwirkungen entfaltet hat“ schreibt der Soziologe Ulrich Beck in seinem letzten Buch „The Methamorphosis of the World“, welches im Herbst 2016 auch in deutscher Übersetzung erscheint. Das gilt eben für jede Art von Großtechnologie.

 

Großhandel drückt Preise und tötet damit „Bio“

 

Dass Diskounter und die großen Supermarktketten einen „Marktverdrängungskrieg“ austragen wollen, ist ein normales Kapitel im Kapitalismus. In diesem Szenario hat jedoch nachhaltige angebaute oder hergestellte Ware nichts zu suchen. Sobald sie in diesen Stellungskrieg gerät, greifen die Mafiastrukturen und es wird betrogen, wie bei der üblichen Massenware weltweit auch. Niemand kann mehr sicher sein, dass auch Bio drin ist, wo Bio drauf steht. Gleichzeitig sterben die Betriebe bäuerlicher Landwirtschaft und werden von Großproduzenten verdrängt, die letztlich auch wieder so umweltschädigend produzieren wie eh und je, auch wenn der Chemieanteil geringer ist. Der Wasserverbrauch und die Bodenschädigung bei Monokulturen sind letztlich genauso hoch wie bei der konventionellen Landwirtschaft. Am Ende müssen dann auch noch Tagelöhner aus Rumänien für unter 20 Euro am Tag hier arbeiten, was den sozialen Faktor der Nachhaltigkeit eliminiert.

Zitronen aus Italien können Demeterqualität haben und auch mit einem Transport zum Hamburger Großmarkt noch eine bessere CO2-Billanz aufweisen, als mancher Apfel aus dem alten Land, der mit dem Kleintransporter angeliefert wird. Aber das gilt nicht für alle Produkte, denn schon die gigantischen Gewächshäuser oder unter Plastikplanen versteckten Landschaften haben nichts mehr mit Bio zu tun. Auch die rein optischen Vorgaben der Großhändler, wie gerader Wuchs, Mindestgröße oder bestimmte Farben sind grober Unfug, der letztlich wieder zur Vernichtung der halben Erntemengen führt.

 

So viel wie möglich regional, direkt vom Erzeuger ist nachhaltig

 

Hofläden, Wochenmarkt oder solidarische Landwirtschaft mit „Abholdepots“ in den Städten sind die Alternativen zu ALDI, LIDL und EDEKA´s Bioecken. Dabei sind oft die Preise nicht höher – weil viel Transport und Zwischenhandel fehlen – als bei den Diskountern. Dafür erhält der Erzeuger, also der Biobauer den Preis, den er auch haben muss. Hier werden dann auf einem 50ha-Hof bis zu 10 Personen dauerhaft und zu vernünftigen Löhnen beschäftigt, statt 1,5 Personen in einem konventionellen Betrieb.

Die Kunden aus den Supermärkten und Kaufhäusern zu „vertreiben“ ist der schwerste Teil an der großen Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Zurück zum Einzelhandel, dem Dorfladen und Bäcker und Fleischer, die noch wirklich am Ort arbeiten – und verarbeiten, das muss die Zukunft sein. Täglich geöffnete Markthallen mit vielen „Händlern“ gibt es schon in vielen Städten. Hierhin können auch die Südfrüchte und andere exotische Lebensmittel, wie Fisch und Gewürze geliefert werden. Es ist nicht sehr lange her, dass der „Fischmann“ freitags über die Dörfer fuhr und auch der „Gewürzonkel“ mit seinem extrem stark duftenden Koffer die Runde machte.

 

Die gesamte Wirtschaftsstruktur ist das Problem, nicht unbedingt nur der Inhalt

 

„Die Welt ist aus den Fugen. Sie gleicht einer ausgehängten Tür, sie ist verrückt geworden“, stellt Ulrich Beck in seiner Studie fest. Und es ist „der Westen“ mit seiner egoistischen, kannibalistischen Wirtschaft, der „verrückt geworden“ ist und wie ein Monstrum aus Science Fiction Filmen die Welt zerstört (Heinrich August Winkler: „die Geschichte des Westens“ in 4 Bänden von der Antike bis heute). In Deutschland ist der „Bio-Boom“ exponentiell gewachsen, während die heimischen Bio-Landwirte reihenweise aufgeben müssen. Das hat mit einer nachhaltigen Wirtschaft nichts mehr zu tun. Aktuell fliegt uns das System um die Ohren und es ist – auf der Ebene der „Verantwortlichen“ – kein Ansatz zu einer Lösung zu erkennen. Die Menschen, die Kunden müssen also selbst handeln, schnellstmöglich. Die schönste „Bio-Ware“ hat ihre nachhaltige Qualität verloren, wenn sie von Sklaven geerntet, verarbeitet und um die halbe Welt transportiert wird.

Berichte zu der Bio-Industrie-Mafia:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/uebermorgen/bio-industrie-sind-regionale-bio-lebensmittel-nachhaltiger-a-1082571.html

http://www.natur.de/de/20/Regional-ist-auch-bei-der-Wiese-Trumpf,1,,1888.html

http://www.natur.de/de/10/Konsum-zerstoert-globale-OEkosysteme,1,0,321.html

Bericht zu der üblichen Lebensmittelindustrie-Mafia:

http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/europol-findet-rekordmenge-gefaelschter-lebensmittel-a-1084739.html