Dieser Artikel wurde am 25. November 2013 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell! In Zusammenarbeit mit NDR-Info hatten Studenten der Universität Göttingen die zweite Nachhaltigkeitskonferenz, diesmal unter Federführung der…
Dieser Artikel wurde am 25. November 2013 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

In Zusammenarbeit mit NDR-Info hatten Studenten der Universität Göttingen die zweite Nachhaltigkeitskonferenz, diesmal unter Federführung der Forstwirtschaftler organisiert.  Ganz im Sinne von Hans Carl von Carlowitz, der diesen Begriff 1713  in seinem Buch „Silvicultura oeconomica“ erstmals gebrauchte (http://www.nachhaltigkeit.info/artikel/hans_carl_von_carlowitz_1713_1393.htm).

Die zahlreichen Vorträge und  Workshops sowie besonders das öffentliche Streitgespräch offenbarten jedoch die große Unsicherheit über die Bedeutung des Begriffs, der nach Belieben von gegensätzlichen Positionen gebraucht wird (http://www.uni-goettingen.de/de/435458.html).

 

Kann industrielle Landwirtschaft nachhaltig sein?

 

Die Behauptung des Präsidenten der deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft Bartmer, dass er auf seinem 1.000 Hektar-Hof nachhaltige Landwirtschaft betreibe, „gerade weil es industrielle Landwirtschaft“ ist und damit den ökonomischen Fortbestand des 300 Jahre alten Familienbesitzes sichert, ist in Wahrheit schamlos, aber für ihn vollkommen logisch. Genau dieses Problem der Benutzung von Begriffen je nach eigener Definition stellte Dr. Joachim H. Spangenberg eindrücklich dar. Weder der Faktor Mensch, noch die Natur sind in der Ökonomie Werte, mit denen sich „wirtschaften“, also kalkulieren lässt. Der Homo oeconomicus entfernt sich selbst aus seinen mathematischen Gleichungen und seine Lebensgrundlage gleich mit.

In den Workshops, nach den Vorträgen der Wissenschaftler, trat dann auch die Unsicherheit bei allen – fast 500 – Teilnehmern zu Tage. Was ist denn nun „wirklich nachhaltig“ und wie kann der Einzelne seinen Teil dazu beitragen? Will er ökologische – also natürliche –  normale Landwirtschaft fördern, sollte er nicht im Discounter Bioprodukte kaufen, weil er damit die lokale ökologische Landwirtschaft zerstört. Jährlich geben über 600 Bio-Landwirte in Deutschland auf, weil sie gegen die Billigimporte, z.B. aus Polen nicht mithalten können (siehe Bericht in: brand eins Heft 12, Dezember 2013, S. 86ff). Die Politik ist nicht interessiert, eine wirkliche Transformation zu veranlassen, wie die Entwicklung in Deutschland zeigt (https://www.energieleben.at/die-schamlose-republik-%E2%80%93-keine-aussicht-auf-nachhaltigkeit/). Dieses wiederum war das Ergebnis des Workshops zu Governancestrukturen für Nachhaltigkeit.

 

Sind die Wissenschaftler ratlos?

 

Professor Dr. Maria Finckh, Universität Kassel, konnte auch nur – „Sprachlos“ – die Ratlosigkeit der Teilnehmer moderieren. In Nebensätzen – und beiseite gesprochen – jedoch sprach sie die Wahrheiten aus: Schulen und Universitäten vermitteln keine Bildung mehr, sondern bilden „Fachidioten“ aus, die dann „den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen“, genau, wie es der erschütternde Dokumentarfilm „Alphabet“ beschreibt (http://www.alphabet-derfilm.at/). Das Problem einer nachhaltigen Ernährung kann nur mit Modellen, wie der solidarischen Landwirtschaft gelöst werden. Letztlich muss also die Gemeinschaft der Menschen wieder ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen (https://www.energieleben.at/commonismus-ist-kommunale-intelligenz-der-weg-in-eine-nachhaltige-zukunft/).

Die Hilflosigkeit der Akademiker unterstrich Co-Moderator Dr. Daniel Dahm, Geschäftsführer der Forschungsgruppe Ethisch-Ökologisches Rating der Uni Frankfurt durch zahllose Goethe-Zitate. Ein anwesender Maschinenschlosser ließ sich dadurch und durch die vielen Fachtermini nicht abschrecken und äußerste einfach sein Bauchgefühl. Wie bei den Fahrzeugen, die er reparieren muss, wird alles immer komplizierter und dadurch nicht besser. Das System an sich ist grundsätzlich nicht nachhaltig und muss sich radikal verändern (https://www.energieleben.at/nachhaltigkeit-ist-keine-neue-handlungsoption-sondern-eine-lebenseinstellung/).

Das Problem der Welternährung wird nicht auf industrielle Weise gelöst, wie z.B. durch Hilfe und Beratung der Agrarwissenschaftler, sondern von Menschen, wie dem Analphabeten in Bokina Faso, der einfach seine Hacke in die Hand nahm und die Wüste fruchtbar machte (https://www.energieleben.at/der-mann-der-die-wuste-aufhielt/).

Solange die ökonomische Diktatur auch die Wissenschaft, die Ausbildung (!) der Lehrer im Griff hat, werden jedoch auch diese Erkenntnisse keine Multiplikatoren finden. Eine nachhaltige Gesellschaft kann nur in einer wirklichen Anarchie entstehen (https://www.energieleben.at/auf-ein-wort-was-ist-eigentlich-anarchie/, https://www.energieleben.at/alles-wurde-gut-wenn-kinder-die-welt-verandern-konnten/).

Die notwendige Transformation findet jenseits der Universitäten und der Parlamente statt. Der Weg ist entweder schleichend, indem die Menschen ihre Mitarbeit entziehen und eine wachsende Parallelgesellschaft entwickeln, oder drastisch, durch weitere Zusammenbrüche der „Finanzmärkte“, oder auch durch explodierende Flüchtlingsströme und zunehmenden Terrorismus. Der tägliche Blick in die Medien belegt, wie Krisen in allen Bereichen des Lebens wachsen. Dieses besonders deshalb, weil es eben so viele Bereiche geworden sind. Die Komplexität, die die Menschen so verwirrt ist das Problem. Wie gefährlich dieses Problem ist, haben Rebecca Costa und David Graeber in ihren Büchern beschrieben (R. Costa: Kollaps oder Evolution; S. Graeber: Schulden, die ersten 5.000 Jahre).

 

https://www.energieleben.at/die-grose-transformation-zu-nachhaltigkeit-wann-kann-sie-beginnen/

https://www.energieleben.at/nachhaltigkeit-betrifft-auch-den-sozialstaat/

https://www.energieleben.at/das-jahrhundert-der-biologie/

https://www.energieleben.at/ein-uraltes-konigreich-in-afrika-zeigt-den-weg-zur-nachhaltigen-wirtschaft/