Dietmar Gombotz ist Geschäftsführer am Zukunftshof in Wien und weiß, dass das Thema Kreislaufwirtschaft auf mehreren Ebenen betrachtet werden sollte. Fotocredit: © Zukunftshof & Vision Studio / Salomo Dshokow
Dietmar Gombotz ist Geschäftsführer am Zukunftshof in Wien und weiß, dass das Thema Kreislaufwirtschaft auf mehreren Ebenen betrachtet werden sollte. Fotocredit: © Zukunftshof & Vision Studio / Salomo Dshokow
Am Zukunftshof im Süden von Wien wird Kreislaufwirtschaft groß geschrieben. Wie sie Teil davon sein kann, eine stetig wachsende Weltbevölkerung künftig nachhaltig zu ernähren, hat uns Zukunftshof-Geschäftsführer Dietmar Gombotz im Interview verraten.
Dieser Artikel wurde am 21. Dezember 2021 veröffentlicht
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Am Stadtrand des 10. Wiener Gemeindebezirks, genauer gesagt im Stadtteil Rothneusiedl, steht ein großer Hof, der schon immer ein bisschen Vorreiter war. Der sogenannte ehemalige „Haschahof“ war 1991 einer der ersten anerkannten Biobetriebe von Wien. Seit 2019 liegt der frühere Landwirtschaftsbetrieb in der Verantwortung von engagierten Menschen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die Stadt „essbar“ zu machen. Das heute als „Zukunftshof“ bezeichnete Projekt verfolgt unter anderem das Ziel, die Grünflächen, die es in der Stadt gibt, auch wirklich nutzbar zu machen.

Das Thema der Kreislaufwirtschaft ist dabei ein zentrales in den Projekten des Zukunftshofes. Gleichzeitig geht es darum, zu zeigen, dass Urban Farming in professionellem sowie flächendeckendem Maße möglich ist. Der Hof will ein Vorbild abgeben, das auch in künftige Stadtentwicklungspläne einfließen darf. Wir haben den Geschäftsführer des Zukunftshofes Dietmar Gombotz gefragt, auf wie vielen Ebenen man Kreislaufwirtschaft eigentlich verstehen kann und warum er und sein Team sich diesen ganzen Aufwand eigentlich antun.

Sie betreiben am Zukunftshof vor allem innovative Landwirtschaft. Landwirt sind Sie aber so gesehen keiner, oder?

Dietmar Gombotz: „Naja, mein Background ist prinzipiell ein anderer. Ursprünglich komme ich aus der Technik bzw. der IT. Nach der HTL habe ich eine Zeit lang in London gelebt, bevor ich fürs Studium wieder zurückgekommen bin und parallel meine erste Firma gegründet habe. Mittlerweile bin ich Inhaber von mehreren Unternehmen, aber es gibt einen gemeinsamen Nenner: Innovation. Schon als Software-Entwickler haben mich vor allem innovative Projekte fasziniert und Innovation ist auch die Überschrift meiner anderen Tätigkeiten. Ich habe beispielsweise auch eine Polymer-Firma, in der wir Forschung dazu zu betreiben, wie wir Plastik grüner produzieren können. Der Innovationsspace hat sich irgendwie durch mein berufliches Leben gezogen und das hat sich dann auch bezüglich des Zukunftshofes weiterentwickelt. Ergeben hat sich das so, dass ich gemeinsam mit Andreas Gugumuck bei einem Fest zusammengesessen bin und wir haben dabei auf den ehemaligen Haschahof geschaut und sind durchs Reden zu dem Schluss gekommen, dass wir uns hier eigentlich ein vorbildlich innovatives und urbanes Landwirtschaftskonzept vorstellen könnten. Wir haben dann unser Konzept eingereicht bei der Ausschreibung des Hofes, gewonnen und das war der Start des Zukunftshofes.“

Und der existiert ja nun schon seit einiger Zeit. Was genau macht den Zukunftshof jetzt aus?

Dietmar Gombotz: „Grundsätzlich agieren wir als Genossenschaft und beziehen verschiedene landwirtschaftliche Produzenten aber auch Veredelungsbetriebe mit ein. Also unser Grundbestreben ist die eigene Produktion, also dass wir Pilze, Gemüse und Obst sowohl im urbanen Setting ziehen, als auch mit regionalen Unternehmenden zusammenarbeiten, die diese Produkte veredeln. Unser Grundgedanke ist, dass wir die Stadt essbar machen wollen. Als Ziel dahinter steht der Gedanke, dass sich die Stadt selbst ernähren können muss. Wir glauben, dass man auch im urbanen Setting landwirtschaftlich produzieren kann.“

Aber es geht nicht nur um die urbane landwirtschaftliche Produktion, sondern auch darum, das nachhaltig zu gestalten, richtig?

Dietmar Gombotz: „Genau. Wir schauen, dass wir einen möglichst geringen Impact auf die Umwelt haben. Darum versuchen wir auch, im Kreislauf zu produzieren. Wir sehen den Kreislaufgedanken dabei auf drei verschiedenen Ebenen und zwar im Hinblick auf Materialien, Prozesse sowie auf Vertriebsstrukturen. Bei Materialkreisläufen heißt das, dass wir schauen, wo etwas, das als Abfall auf der einen Seite entsteht, als Ressource auf der anderen Seite dienen kann. Also wenn wir beispielsweise die Schneckenzucht anschauen, bleibt dabei ganz viel organisches Material übrig. Diese Reste dienen dann wieder als Nahrung für die Fische, die wir in einer Aquaponik-Kultur züchten. Also der Abfall auf der einen Seite kann wertvolles Gut auf der anderen sein. Die Ausscheidungen der Fische verwenden wir dann beispielsweise wieder als Düngemittel. Das sind klassische Materialkreisläufe, auf die fokussieren wir.“

Und wie ist der Kreislaufgedanke im Sinne der von Ihnen angesprochenen Prozesse und Vertriebsstrukturen?

Dietmar Gombotz: „Wir denken auch in Kreisläufen, wenn es im Sinne der Shared Economy um Prozesskreisläufe geht. Die können unter uns sowie unseren Partner aufgeteilt werden. Da hat jemand beispielsweise ein besonderes Know-how im Marketing und ein anderer vielleicht wieder im Bereich der Förderungen. Auch hier kann man Kreisläufe schaffen, in denen Leistungen getauscht werden. Hier braucht es dann die Entwicklung eigener Verrechnungssysteme, die ermöglichen, dass alle Beteiligten einen Mehrwert haben. Beim Thema Shared Service geht es darum, dass wir uns mit unterschiedlichen Produzenten und Veredelungsbetrieben zusammentun und schauen, wie wir gemeinsam von Liefer- und Vertriebsstrukturen profitieren können. Das ermöglicht letztlich auch, dass man sehr nachhaltige Service-Prozesse schaffen kann.“ 

Hier wird im Kreislauf gedacht. Am Zukunftshof am Wiener Stadtrand. Fotocredit: © Zukunftshof / Andreas Gugumuck
Hier wird im Kreislauf gedacht. Am Zukunftshof am Wiener Stadtrand. Fotocredit: © Zukunftshof / Andreas Gugumuck

Kann sich dieser Kreislaufgedanke auch auf Energieproduktion ausweiten?

Dietmar Gombotz: „Auf jeden Fall, das ist sogar ein sehr klassisches Kreislaufbeispiel, wenn man zum Beispiel an Biomassekraftwerke denkt. Du musst natürlich schauen, ob überhaupt bei deiner Produktion genug Biomasse anfällt, dass sich ein eigenes Biomassekraftwerk auszahlt. So etwas muss sich natürlich wirtschaftlich auch tragen. Genau hier ist der Genossenschaftsgedanke wieder wichtig, weil vielleicht fällt ja bei einem Partner so viel Biomasse an, dass man hier wieder gemeinsame Sache machen kann und sich ein Kraftwerk rentiert. Oder man kann seine eigenen Abfälle vielleicht einem anderem Biomasseverwerter zuliefern. Das sind ja auch die spannenden Fragen hinsichtlich der Stadtentwicklung. Hier könnten die Gebiete südlich vom Zukunftshof besonderes Potenzial bieten, um Biomasse so zu akquirieren, dass sich solche Kraftwerke auch auszahlen.“

Biomassekraftwerk gibt es also noch kein eigenes beim Zukunftshof. Welche Energiestrategie verfolgen Sie stattdessen im Moment?

Dietmar Gombotz: „Zur Zeit sind wir da in einer Zwischennutzungsphase, weil der Hof sehr sanierungsbedürftig ist. Aber in den nächsten zwei Jahren soll er von Grund auf saniert sein. Da sehen wir aktuell zwei große Themen im Hinblick auf nachhaltigen Strom: Auf der einen Seite ist das die Solarenergie und da hat der Hof auch großes Potenzial, weil wir viele große südseitig ausgerichtete Dachflächen haben, die wir nutzen wollen. Und dann schauen wir uns auch gerade noch das Thema Wind an. Genügend Wind hätten wir ja hier im Süden von Wien, aber bei privaten Windkraftanlagen ist derzeit eher noch das Thema, wie man die Lärmbelastung vermeidet.“

Wie sieht die Energiesituation dann aktuell am Hof aus?

Dietmar Gombotz: „Für uns ist im Moment wichtig, zu schauen, woher der Strom kommt. Wir wollen den Hof ja nicht nur sanieren, sondern wirklich revitalisieren und aktivieren. Er soll ein wirkliches Vorzeigeprojekt darstellen und da muss man auch bedenken, dass die alte Bausubstanz viel graue Energie bündelt. Die wollen wir nicht einfach wegreißen und neu bauen, sondern nutzbar machen. Da versuchen wir, möglichst wenig externen Strom zu beziehen. Ganz darauf zu verzichten, wird sich nicht ausgehen, einfach weil wir auch punktuelle Energiespitzen haben werden, da wir eben auch ein produzierender Betrieb sind. Auch wenn unsere Bäckerin zum Beispiel in Zukunft einen Holzofen möchte, wird es trotzdem einen Elektroofen brauchen und der benötigt in der Früh besonders viel Energie. Da müssen wir mittelfristig auf Ökostrom setzen. Langfristig wollen wir aber auch Energiegemeinschaften eingehen, die jetzt möglich werden. Da sind wir in Österreich einmal Vorreiter. Künftig werde ich beispielsweise auf meinem Haus in Niederösterreich eine Solaranlage installieren können und genau den Strom dann am Zukunftshof nutzen, wenn ich ihn dort gerade punktuell brauche.“ 

Was ist denn das große Ziel, das Sie und Ihr Team mit dem Zukunftshof verfolgen?

Dietmar Gombotz: „Wir wollen zeigen, dass Kreislaufwirtschaft synergetisch hochwertig ist und so viel Mehrwert bietet, dass sie als Rolemodel übernommen werden kann. Wir wollen ein Vorbild sein, nach dem landwirtschaftliche Strukturen geschaffen werden. Wir möchten, dass man von uns lernen kann und dass unsere Ansätze in die Stadtentwicklung einfließen. Dazu gehört auch, dass wir forschend tätig sind und unsere Ergebnisse über die klassisch landwirtschaftliche Stadtentwicklung hinausgehen. Das beinhaltet auch Schlüsselbegriffe wie Vertical Farming. Es geht darum, zu schauen, wie nicht nur Grün- und Ackerflächen, sondern eben auch Gebäude landwirtschaftlich genutzt und vor allem benutzt werden können. Wir wollen zeigen, wie man zum Beispiel urbane Räume für die Pilz- oder Proteinproduktion nutzen kann. Und wir möchten Teil der Antwort auf die Frage sein, wie wir effizient und nachhaltig eine wachsende Bevölkerung ernähren können.“

Auf Zukunftshof in Rothneusiedl hat man große Pläne für die Zukunft. Fotocredit: © Zukunftshof / Marei Wenzel
Auf Zukunftshof in Rothneusiedl hat man große Pläne für die Zukunft. Fotocredit: © Zukunftshof / Marei Wenzel

Das klingt nach so unendlich viel Arbeit. Warum tut man sich das an?

Dietmar Gombotz: „Weil es so nicht weitergehen kann. Wir haben sowohl eine wachsende Weltbevölkerung als auch einen Urbanisierungsdruck. Unsere Städte werden immer größer und höher. Die Zahl der Menschen auf dem Planeten nimmt immer stärker zu und auf der andren Seite können wir die wachsende Menschenanzahl nicht mehr auf übliche Weise ernähren. Wir können nicht auf Dauer Regelwälder abholzen, um Fleisch zu produzieren. Neben der nachhaltigen urbanen Lebensmittelproduktion geht es dabei auch um die Frage, wie wir Lösungen schaffen können, die dazu beitragen, dass wir unsere Essgewohnheiten umstellen. Insekten als Lebensmittel kann man zum Beispiel schon gut urban produzieren. Auch Schnecken brauchen im Verhältnis sehr wenig Energie und wenig Input, um viel Protein zu produzieren. Wenn wir dann 10 Milliarden Menschen sind, können wir weltweit definitiv nicht so weitermachen wie bisher. Da braucht es Lösungen. Eine davon ist die ist landwirtschaftliche Aktivierung von Städten, weil die Menschen da hauptsächlich leben. Und daran arbeiten wir mit großem Engagement.“

Fotocredits: © Zukunftshof & Vision Studio / Salomo Dshokow, Zukunftshof / Andreas Gugumuck (1) & Marei Wenzel (1)


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