Wie wir mit Einsamkeit besser umgehen können.
Dieser Artikel wurde am 15. April 2020 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Wir leben in einer Gesellschaft, die Eigenständigkeit, Autonomie und Individualismus hochhält. Daraus hat sich über die Jahrzehnte ergeben, dass immer mehr Menschen alleine leben. Es ist immer weniger notwendig, sich mit anderen Menschen oder der Familie zusammenzuraufen um unsere Basisversorgung abzudecken.

Daher wählen immer mehr Menschen bewusst oder unbewusst, alleine zu leben. Oder es existiert in der Familie oder Gemeinschaft nicht mehr das Verständnis, Gruppen zu bilden, und wir fühlen uns im Regen stehen gelassen. Dabei wäre doch das Leben in Gemeinschaft sehr nachhaltig. Vor allem eben auch, um der Einsamkeit vorzubeugen.

Die folgenden Beobachtungen, Tipps und Hinweise basieren vor allem auf meinen eigenen Erfahrungen und können keine psychologische Begleitung ersetzen.

Bei der Frage, ob wir uns einsam fühlen, gibt es viele Aspekte, die wir berücksichtigen können. Noch bevor wir so schnell wie möglich dieses Gefühl der Einsamkeit loswerden möchten, gilt es genauer hinzuschauen.

Allein oder Einsam

Wer alleine lebt, muss noch lange nicht einsam sein. Und auch Menschen die den ganzen Tag von einer Gruppe von Menschen umgeben sind, können sich zutiefst einsam und unverstanden fühlen.

Es ist also wichtig zunächst genauer zu betrachten: Bin ich allein? Oder fühle ich mich einsam? Und wie fühlt sich Einsamsein eigentlich an? Was steckt dahinter?

Selbst unter Freunden können wir uns einsam fühlen. – Photocredit: pixabay.com/AdinaVoicu

Was ist uns wichtig?

Blind zu versuchen Menschen zu suchen oder zu kontaktieren mit dem Gedanken: “Wenn ich nur jemanden habe, dann wird alles besser.”, kann in vielen Fällen gar nichts bringen, oder sogar noch das Gefühl der Einsamkeit verstärken.

Es ist daher ein wichtiger Schritt, sich bewusst zu machen, dass Einsamkeit meist das Gefühl beherbergt, nicht gesehen, nicht gehört, nicht verstanden oder nicht geliebt zu werden. Wenn wir uns also Zeit nehmen, uns zu fragen, was uns wirklich wichtig ist, und wovon uns etwas fehlt, haben wir einen guten Ausgangspunkt, an dem wir ansetzen können.

Was muss passieren, damit wir uns nicht mehr einsam fühlen?

Auch wenn wir alleine sind, müssen wir uns nicht einsam fühlen. – Photocredit: pixabay.com/wgbieber

Glaubenssätze

Welche Glaubenssätze haben wir über Alleinsein und Einsamsein? Glauben wir, dass Einsamsein etwas Schlechtes ist? Dass es ein Zeichen dafür ist, dass etwas mit uns nicht in Ordnung ist?

Viele unserer Glaubenssätze machen dieses initiale Gefühl des aktuell-sich-gerade-nicht-gehört, -gesehen oder -geliebt-Fühlens zu etwas Schlechtem.

Wir geißeln uns damit und überlagern somit das initiale Gefühl mit etwas ganz anderem, damit wir uns nicht mit dem tatsächlich unangenehmen Gefühl auseinandersetzen müssen. Stattdessen können wir uns gut selbst bemitleiden.

Wo stehen wir uns selbst im Weg?

Jetzt wo wir wissen, was unserer Einsamkeit zugrunde liegt, können wir doch gleich auf die Suche gehen, oder? – Jein. Dieses Gefühl, nicht gesehen, gehört, verstanden oder geliebt zu werden muss nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen.

Kann es sein, dass da schon jemand in unserem Leben ist, der oder die uns sehr wohl hört, sieht, versteht oder liebt? Vielleicht zumindest manchmal? Und haben wir dem oder der Anderen überhaupt die Chance dazu gegeben?

Oder erlauben wir es uns unterbewusst gar nicht, diese Gefühle von anderen zu empfangen? Und könnten wir uns dieses Gefühl vielleicht sogar selbst geben?

Oft igeln wir uns selbst ein, wenn wir uns einsam fühlen. – Photocredit: pixabay.com/Anemone123

Wo und wie finde ich jemanden?

Wenn wir also genauer erkundet haben, was uns genau fehlt, und wo wir uns selbst im Weg stehen, können wir viel gezielter nach den Personen suchen, die uns helfen können. Vielleicht geht es darum, dass wir Freunde oder Familie öfter oder überhaupt kontaktieren? Oder vielleicht können wir uns, so wie wir sind, als vollständigen, liebenswerten und interessanten Menschen annehmen? Oder aber wir finden tatsächlich heraus, dass uns niemand im Leben geblieben ist und es an der Zeit ist, neue Leute kennenzulernen. Und jetzt, wo wir genauer wissen, wonach wir suchen, wird es auch wesentlich einfacher diese Menschen zu finden.

Einfache erste Schritte

Esther Perel, Psychotherapeutin mit dem Fokus auf Beziehungen, empfiehlt, wenn wir uns einsam fühlen, bei Hilfsorganisationen oder sonstigen Einrichtungen, die freiwillige Helfer benötigen, anzufragen und dort die Menschen zu unterstützen. Das gibt uns das Gefühl gebraucht zu werden, eine Aufgabe zu haben, und etwas zu bewirken.

Auch gemeinsam mit anderen Bewegung und Sport machen – egal ob räumlich gemeinsam oder über Onlineangebote – kann ebenfalls die Stimmung heben. Speziell Tanz ist wichtig, da wir dabei fast automatisch in eine positive Stimmung gebracht werden.

Fazit

Egal in welcher Situation wir uns befinden, ob wir im Außen alleine sind oder umgeben von Menschen: Sich einsam fühlen ist kein Schicksal das wir nicht ändern können. Wichtig ist, dass wir erkennen, dass wir selbst es in er Hand haben, wie wir uns fühlen, und dass wir immer etwas tun können, damit es uns besser geht.

Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, dass es Momente gibt, wo genau diese Aussage hilft, und andere, wo egal was jemand sagt, im Kopf wie ein Reflex der Satz erscheint: „Ja, aber ich brauch doch jemand anderen, wenn mir etwa körperliche Nähe fehlt, oder?“ Und das mag stimmen. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass sehr oft dann immer noch ein anderes Gefühl im Weg steht, das ich nicht gesehen habe. Und dass es immer einen Weg gibt, wie ich mich ein bisschen weniger einsam fühlen kann.

Weiterführende Links

Esther Perel – relationships in quarantine