ngrid Gumpelmaier-Grandl ist die Expertin, wenn es um nachhaltigen und vor allem um Fairtrade Modebetrieb geht. Sie selbst ist immer wieder in ihrer Produktion in Nepal vor Ort, um einen wirklich fairen und partnerschaftlichen Betrieb zu ermöglichen. Fotocredit: © FAIRytale
ngrid Gumpelmaier-Grandl ist die Expertin, wenn es um nachhaltigen und vor allem um Fairtrade Modebetrieb geht. Sie selbst ist immer wieder in ihrer Produktion in Nepal vor Ort, um einen wirklich fairen und partnerschaftlichen Betrieb zu ermöglichen. Fotocredit: © FAIRytale
Fairtrade Textil-Profi Ingrid Gumpelmaier-Grandl setzt seit Jahren darauf, ihre Partnerbetriebe zu stärken, damit diese unabhängig wirtschaften und Mitarbeitende zu gesunden und guten Bedingungen arbeiten können. Daraus entsteht wiederum spannende Mode für ihr Label Fairytale Fashion. Mit uns hat sie über Karenzgeld in Kathmandu, die Entwicklung von Fairtrade und die ganz besondere Entstehungsgeschichte des Labels gesprochen.
Dieser Artikel wurde am 25. Juni 2021 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Im Jahr 2009 hat Ingrid Gumpelmaier-Grandl in Oberösterreich das Modelabel Fairytale Fashion gegründet. So märchenhaft wie der Name ist sowohl die Entstehungsgeschichte der Marke als auch die Herangehensweise, mit der Ingrid Gumpelmaier-Grandl sich um ihre Partnerfirmen, in denen sie produzieren lässt, und deren Mitarbeitende kümmert. Denn Fairytale geht weit über fair gehandelte Mode hinaus. Sowohl in der Schneiderei, als auch in der Filzerei sowie in der Druckerei in Nepal kennt Ingrid ihre Mitarbeitenden persönlich. Und damit auch ihre Ängste, Sorgen und Träume. Es ist ein nachhaltiger und vor allem menschlicher Ansatz, der Arbeits- und Lebensbedingungen weit vor Profit und auch vor dem aktuellsten Style im Blick hat. 

Auch, wenn dieser Style keineswegs zu kurz kommt bei den Stücken von Fairytale! Immerhin ging es bei der Gründung der Marke ganz bewusst darum, fair gehandelte und nachhaltige Mode aus dem Hippie-Jutesack-Image raus und in die Mitte der bewusst einkaufenden Modegesellschaft zu holen. Im Interview spricht Fairtrade-Profi Ingrid Gumpelmaier-Grandl mit uns über das erste Karenzgeld in ihrer Schneiderei, über die Corona-Herausforderungen im fairen Modegeschäft und darüber, warum Menschlichkeit für sie über allem steht. 

Wie ist Fairytale Fashion eigentlich entstanden? Wie sind Sie auf dieses Konzept gekommen?

Gumpelmaier-Grandl: „Ich habe mit meinem Mann schon sehr früh einen Fairtrade-Laden betrieben. Zu Beginn des Trends zum fairen Handel hieß das – überspitzt formuliert –, dass wir drei Sorten Curry und Nicaragua Kaffee anbieten konnten. Das Sortiment hat sich aber riesig erweitert und man hat sukzessive auch kreative und trendige Ware fair gehandelt bekommen. Nur im Kleidungsbereich hat sich lange Zeit nicht viel getan. Da gab es weiterhin nur den Alpaka-Pullover mit Indianermuster oder gebatikte Shirts aus Indonesien in xxs, weil die Leute dort von ihren eigenen Staturen ausgegangen sind und dementsprechend geschneidert haben. Mein Mann hat in dieser Zeit eine Weltreise gemacht. Bei einer Wanderung im Himalaya hat er sich mit dem deutsch sprechenden Tracking-Guide Hari Gautam unterhalten und ihm erzählt, dass er einen Fairtrade-Laden führt, wenn er nicht gerade durch die Welt wandert. Da hat Hari gelacht und gesagt, er sei Fairtrade-Schmuckhersteller, wenn er nicht gerade Tracking-Guide ist. Und dann sind die beiden auch noch drauf gekommen, dass wir in Eferding tatsächlich bereits seinen Silberschmuck handeln.“ 

Was für ein unglaublicher Zufall! Ein richtiger Gänsehautmoment …

Gumpelmaier-Grandl: „Ja! Und das war noch nicht alles. Hari hat uns 1998 in Europa besucht, zu einem Zeitpunkt, an dem ich mich schon lange damit auseinander gesetzt habe, wie ich mein Fairtrade-Konzept in Zukunft gestalten möchte. Für mich war nämlich von vornherein klar, dass ich keine Riesenproduktion haben, sondern lieber für einen kleinen Betrieb verantwortlich sein möchte, in dem die Leute eben nicht wieder nur eine Nummer sind. Ich wollte die Menschen, die für uns produzieren, kennen und damit auch zeigen, dass man tatsächlich anders wirtschaften kann. Und bei seinem Besuch erzählte Hari uns dann plötzlich, dass sein Bruder gerade eine kleine Schneiderei zu verkaufen hat und er nicht weiß, an wen sie sich diesbezüglich wenden sollte. Und ich hab dann natürlich sofort gewusst, was zu tun ist.“

Und aus der Idee ist heute ein gefragtes Modelabel geworden!

Gumpelmaier-Grandl: „Ja, und das, obwohl wir wirklich ganz klein begonnen haben. Heute baut man Labels ja oft anders auf: Man sucht Investoren und startet im großen Stil. Ich hingegen wollte in kleinen Schritten wachsen, damit wir uns alle gemeinsam entwickeln können. Das hieß für mich auch, von Anfang an nur mit Partnerbetrieben in entsprechender Größe zusammenzuarbeiten, um die Verantwortung für die Betriebe zu jedem Zeitpunkt übernehmen zu können. Mit dem Weg, den wir eingeschlagen haben, sind wir im Moment sehr zufrieden. Unser Ziel war nie ein fulminantes Wachstum, sondern mir war wichtig, dass es zwar Entwicklung gibt, dabei aber unsere Philosophie unverwaschen bleibt. Und heute bin ich so froh, diese Schritte genau so gegangen zu sein. Ich genieße, dass wir einander durch die Überschaubarkeit der Betriebsgröße wirklich kennen. Wir haben beispielsweise gerade das Karenzgeld eingeführt. Sushma ist die erste Frau in unserem Betrieb, die ein solches bekommt und sie schickt mir Fotos von ihrem Baby. Das freut mich und erinnert mich immer wieder daran, wie wichtig unsere Arbeit ist. Man bekommt so auch die Persönlichkeit und die Träume der Menschen mit, die bei uns arbeiten und zum Beispiel auch Prämien bekommen. Unser junger Drucker etwa wirft sich derzeit in der Arbeit ganz besonders ins Zeug, weil er sich ein Motorrad wünscht, wie er mir verraten hat. (lacht)

Sie sprechen von Verantwortung für Ihre Partnerbetriebe. Wie genau sieht das bei Fairytale Fashion aus?

Gumpelmaier-Grandl: „Wir sind einerseits lizenzierte Lieferanten für Weltläden. Da wird man auf Herz und Nieren nach den internationalen Standards des fairen Handels geprüft. Die schauen sich auch genau an, welche Konditionen die Partnerbetriebe bekommen. Wir beliefern andererseits auch Geschäfte, die faire Mode führen. Unser persönlicher Schwerpunkt ist dabei aber vor allem, dass wir die Produzentinnen und Produzenten in den Ländern des Südens dabei begleiten, dass sie mit den in unserer Welt wachsenden Standards mitwachsen und ihnen auch gerecht werden können.“

Ingrid Gumpelmaier-Grandl kennt die Mitarbeitenden in ihren Partnerbetrieben auch persönlich. Fotocredit: © FAIRytale
Ingrid Gumpelmaier-Grandl kennt die Mitarbeitenden in ihren Partnerbetrieben auch persönlich. Fotocredit: © FAIRytale

Was verstehen Sie unter gewachsenen Standards hinsichtlich Fairtrade Mode?

Gumpelmaier-Grandl: „Die Ansprüche an Nachhaltigkeit werden prinzipiell größer. Das ist einerseits ein tolles Zeichen, weil es zeigt, wie stark das Bewusstsein von Konsumentinnen und Konsumenten wächst. Es ist ja gerade einmal etwa zehn Jahre her, dass man als exotisch galt, wenn man auf faire Mode in der eigenen Garderobe gesetzt hat. Im textilen Segment sind da die Bedürfnisse der Konsumierenden auch noch einmal anders zu betrachten. Geht es beispielsweise um nachhaltige und fair gehandelte Lebensmittel, sprechen wir hier von etwas, dass man sich einverleibt. Aber bei Kleidung darf man auch manchmal ein wenig eitel sein. Die tragen wir immerhin nach außen und sie gilt auch als eine gewisse Visitenkarte. Und vielen möchten eben nicht, dass man der Fairtrade Mode das optische Klischee des Jutesack-Stempels ansieht. Aber genau da wird es teilweise schwierig für die Länder des Südens, entsprechende Kleidung zu produzieren. Denn dort gibt es teilweise einfach keinen Zugang zu bestimmten Stoffen. Auch wir können da immer nur in sehr eingeschränkten Bahnen denken. Es ist für uns beispielsweise ein absolutes Highlight, dass wir jetzt GOTS zertifizierte Bio-Baumwolle kriegen. In Nepal beispielsweise kommt man nicht an bestimmten Jeansstoffe heran und wenn doch, dann hätte man vor Ort gar nicht erst die Ausrüstung, die entsprechenden Stoffe zu verarbeiten.“

Das ist wahrscheinlich ein ganz wichtiger Punkt: In Bezug auf Ausrüstung muss man wohl in Ländern wie Nepal, wo Sie produzieren, ganz anders denken, als wir es hierzulande gewohnt sind? 

Gumpelmaier-Grandl: „Absolut, darum haben wir auch massiv in eine gute Ausstattung vor Ort investiert. In unserer Schneiderei in Kathmandu haben wir beispielsweise eine Photovoltaik-Anlage installiert. Und das aus gutem Grund, die Arbeitenden mussten dort ansonsten täglich mit 14 bis 16 Stunden Stromausfall rechen. Und da haben sie früher ein Diesel-Notstromaggregat teilweise sogar in den Innenräumen verwendet! Da wollten wir unbedingt gegensteuern. Mit unserer Crowdfunding-Aktion dazu haben wir auch den Umweltpreis den Landes Oberösterreich bekommen. Und zwar vor allem dafür, dass wir Nachhaltigkeit auf allen Seiten der Produktionskette forcieren. Da gehört eben der Strom auch dazu, an den wir in Europa gar nicht denken, weil er so selbstverständlich für uns ist. Um hier nachhaltige Strukturen auch in den Ländern des Südens zu schaffen, braucht es meiner Ansicht nach langfristige Partnerschaften. Auch wenn wir natürlich Kundinnen und Kunden mit unserer Mode begeistern wollen, schauen wir zuallererst auf die Bedingungen für unsere Partnerbetriebe und wie deren Entwicklung so ausschauen kann, dass sie in kleinen Schritten ihre Strukturen zukunftsfit gestalten.“

Ich kann mir vorstellen, dass es auch für Ihre Partnerbetriebe etwas Außergewöhnliches ist, mit welchem Engagement Sie hinter ihnen stehen. 

Gumpelmaier-Grandl: „Ja, unsere Herangehensweise schweißt uns als Partner schon sehr zusammen. Unsere teilweise langjährigen Mitarbeitenden in Nepal wissen mittlerweile, dass wir nicht abspringen, nur weil irgendein anderer Produktionsbetrieb billiger ist. Das hat aber lange gebraucht, dieses Vertrauen aufzubauen. Nach und nach haben meine Mitarbeitenden vor Ort bemerkt, dass unsere Handelspartnerschaft eine ehrliche ist, und dass sie es wirklich glauben dürfen, wenn wir ihnen sagen, dass wir bleiben. Genau das ist uns ein so großes Anliegen, denn gerade Betriebe in armen Ländern würden sofort den Preis runter fahren, damit sie Arbeit erhalten. Und hier wollen wir gegensteuern. Ich finde, wir müssen unsere Partnerbetriebe so stark machen, dass sie auch dann stark bleiben können, wenn örtliche Partner Druck machen. Erst kürzlich hatten wir das, dass ein Handelspartner meiner Druckerei in Nepal dem Verantwortlichen vor Ort sagte, er würde ihn nicht bezahlen, er hätte auf Facebook gesehen, er würde ohnehin Geld aus Europa erhalten. Für uns ist das unverständlich, aber in Nepal ist das leider Realität. Ich finde, es darf jetzt nicht darum gehen, dass ich auf Facebook keine Werbung mehr mache, sondern ich bleibe dabei, meine Partnerbetriebe so zu stärken, dass sie von so etwas nicht einschüchtern lassen müssen und sich durch gute sowie ökologische Arbeit von höchster Qualität und nicht durch Preisreduktionen behaupten können.“

Das ist vermutlich ein sehr langfristiges Ziel: Immerhin gilt ja leider auch in der Textilbranche häufig, dass dem günstigsten Angebot der Vorzug gegeben wird.

Gumpelmaier-Grandl: „Genau das ist der dramatische Punkt. 2015 gab es in der Region, in der wir produzieren, ein sehr großes Erdbeben. Da hat man gesehen, dass die konventionellen Textilkäuferinnen und -käufer einfach ganz schnell in andere Länder ausgeflogen sind, in denen sie ihre Stoffe und ihre Kleidung sicher kriegen konnten. Das hat mir wieder deutlich gemacht, wie abhängig unsere Partnerbetriebe von solchen Situationen sind. Ich hab meine Mitarbeitenden dann beruhigt, dass wir bleiben und habe sie vor Ort besucht in einer Zeit, in der die Erde noch hunderte Male nachgebebt hat. Es war besonders erschreckend, zu erleben, wie jedes Nachbeben die Mitarbeitenden retraumatisiert hat. Und trotzdem wären sie wieder in die Schneiderei gegangen! Ich habe dann gesagt, dass niemand in die Schneiderei gehen soll, so lange bis es wirklich wieder sicher ist. Für den Wiederaufbau haben wir dann Spenden durch ganz viele Modeschauen und Vorträge gesammelt. In dieser Hinsicht bin ich auch sehr dankbar für die Unterstützung unserer Kundinnen und Kunden. Sie kennen unsere Philosophie und schätzen unser Konzept so sehr, dass sie sich eben bewusst dafür entscheiden, unsere Mode zu unterstützen.“ 

Mode, die nicht nur Freude beim Tragen macht, sondern auch faire Arbeitsbedingungen aller daran Beteiligten Produzierenden garantiert. Fotocredit: © FAIRytale
Mode, die nicht nur Freude beim Tragen macht, sondern auch faire Arbeitsbedingungen aller daran beteiligten Produzierenden garantiert. Fotocredit: © FAIRytale

Sie haben jetzt schon das riesige Erdbeben 2015 angesprochen – auch Corona ist ein völlig unerwartetes Ereignis, das vermutlich ganz neue Herangehensweisen braucht. 

Gumpelmaier-Grandl: „Auf jeden Fall. Denn in der Pandemie haben manche Textilhersteller ihre Produktionen in den entsprechenden Ländern gestoppt. Das traut man sich auch nur dort, wo man weiß, dass die Menschen nicht die Mittel haben, zu klagen … Auch da haben wir gesagt, es muss anders gehen. Wir haben die Zusammenarbeit mit den Partnerbetrieben noch einmal gestärkt und dabei auch eine Rolle in der Gesundheitsaufklärung übernommen. In Kathmandu ist die Informationslage ja auch eine ganz andere. Dort hat nicht jeder einen Fernseher oder Radio. Da wird eher die Polizei geschickt, um die Leute auf der Straße zu verprügeln, damit sie so erfahren, dass es einen Lockdown gibt. Vielleicht haben Sie noch die Bilder aus den Nachrichten in Erinnerung, in denen die Massen aus Kathmandu in die nepalesischen Dörfer zurück gewandert sind vor dem Lockdown? Auch unser gesamtes Team kommt aus den Himalaya-Dörfer, in die sie zurück gegangen sind. Da mussten wir irgendwie reagieren, immerhin geht es ja nicht nur um Arbeitsplätze, sondern zumeist um die gesamte Familie, die unsere Mitarbeitenden mit versorgen.“

Was haben Sie sich dann einfallen lassen?

Gumpelmaier-Grandl: „Wir haben von unseren T-Shirt Motiven Bio-Buttons gemacht und sie selbst sowie auch in allen Partnershops und Weltläden verkauft. Mit diesen Einnahmen und der Unterstützung des Hilfsfonds haben wir es tatsächlich geschafft, dass wir alle Mitarbeitenden aus unseren Partnerbetrieben über den gesamten Lockdown in Kathmandu gebracht haben. Wir haben auch bewusst darauf verzichtet, uns Masken von den Partnern nähen zu lassen. Stattdessen haben wir gesagt: ,Wenn ihr Masken aus unseren Stoffen näht, dann gebt die bitte den Leuten vor Ort.’ Das hab ich vorher auch mit der Aufklärungsarbeit im Bezug auf Gesundheit gemeint. Ich habe beispielsweise allen Arbeitenden gesagt, sie müssen jetzt in Zeiten von Corona bewusst und regelmäßig Hände waschen. Und dann schicken sie mir ganz stolz ein Video, in dem sie sich alle gleichzeitig in der gleichen Schüssel die Hände waschen … Sie sehen: Hier muss man wirklich ganz andere Welten bedenken. Ich sehe es als unsere Aufgabe, auch in solchen Bereichen Aufklärung und Unterstützung für meine Mitarbeitenden zu leisten.“

Unglaublich, was Sie hier alles bedenken und erschaffen. Kommt da irgendwann einmal ein Punkt, an dem man denkt: „Geschafft!“ 

Gumpelmaier-Grandl: „Nicht wirklich. Weil gerade, wenn man glaubt, dass man jetzt einmal durchschnaufen könnte, kommt die nächste unerwartete Information. Wie zum Beispiel, dass jetzt irgendjemand alle Stoffe vor Ort aufgekauft hat. (lacht) Es gab natürlich auch sonst von Anfang an immer wieder Situationen, in denen man erstaunt ist, was auf einen zukommt. Da erhält man beispielsweise 1000 Stück falscher Ware oder 1000 Kleider mit Ölflecken. Sowas muss man – wie Naturkatastrophen – auch wirtschaftlich einmal durchstehen. Im Laufe der Jahre lernt man auch, dass Arbeit anders getaktet ist, wenn man mit einem „Entwicklungsland“ zusammenarbeitet. Das geht nicht, dass man da so genau sagt, in welcher Kalenderwoche was fertig sein wird. So hanteln wir uns eben von Situation zu Situation. Und eigentlich ist genau das unser Konzept. Ich sage immer, dass wir mit dem, was grade möglich ist, etwas machen müssen. Welche Stoffe und welche Mitarbeitenden haben wir jetzt? Wir haben aktuell etwa Rais vor Ort, der kann beispielsweise gut nähen und braucht dringend Arbeit. Darum macht er jetzt Taschen. Wir haben damit bereits die Kollektion für die nächste Saison und gleichzeitig ein gutes Konzept, wie wir unsere Leute beschäftigen können. Für uns hat es die größte Bedeutung, dass sich die Leute vor Ort sicher fühlen.“

Auch wenn es gerade jetzt vielleicht besonders schwierig ist, Pläne zu schmieden: Haben Sie Ziele für die Zukunft und wie sollten wir gesamtgesellschaftlich an eine nachhaltige und vor allem faire Textilperspektive herangehen?

Gumpelmaier-Grandl: „Wir hätten eigentlich vorgehabt, unsere Druckerei, in der die Stoffe Meter für Meter mit der Hand bedruckt werden, auszubauen dieses Jahr. Wir haben hier auch schon mit ,Ingenieure ohne Grenzen’ zusammenarbeitet. Das steht derzeit ganz oben auf der Liste, sobald es wieder möglich ist. Ganz allgemein haben wir ja gerade mit Corona gesehen, dass wir manche Dinge neu denken müssen. Als etwa die Lieferketten nach China abgerissen sind, musste man plötzlich auf regionale Betriebe ausweichen. Die globalen Verflechtungen bieten also einerseits viel Wohlstand, andererseits schaffen sie auch wiederum Potenzial für Abhängigkeiten. Oft hieß es: ,Regional vor Global’ – aber ich sage dann immer, wir brauchen ,fair regional und fair global’. Das hilft uns. Es wird das eine ohne das andere nicht funktionieren und es braucht auf Dauer ein ,sowohl, als auch’. Corona hat hier viele neue Sichtweisen eröffnet und auch wir haben uns grundlegende Fragen noch einmal neu gestellt: Zum Beispiel, ob ich gleich ein Feuerwerk an Neuigkeiten zu Saisonbeginn brauch? Oder ob wir uns lieber über die kleinen Dinge freuen, die jetzt möglich sind? Denn wer kauft sich jetzt im Frühling schon zehn neue Teile? Und auch die Läden können aufgrund ihrer Größe meist ohnehin nicht alle unsere Neuigkeiten präsentieren. Die aktuelle Situation zeigt uns noch einmal deutlich: Wir müssen vernünftig haushalten. Dann merkt man auch, wie absurd unsere Überflusswelt mittlerweile geworden ist. Aber ich bin überzeugt davon, dass jede Krise eine Chance ist. So gesehen ist das jetzt ein guter Zeitpunkt, dass wir uns alle überlegen können: Was kann ich zur ,FAIRänderung’ beitragen.“ 

Fotocredits: © FAIRytale 


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