Zwischen Juni 2014 und November 2015 wurde der neue Windpark Pottendorf/Tattendorf errichtet. 15 Windkraftanlagen erzeugen seither Strom für bis zu 28.600 Haushalte. Projektleiter Alexander Gumpinger erklärt, wie ein Windpark entsteht.
Wie entsteht ein Windpark?
Alles beginnt mit der Auswahl des richtigen Standortes. Die niederösterreichische Landesgesetzgebung sieht einen Mindestabstand von 1200 Metern zum nächsten gewidmeten Bauland vor. Ist ein entsprechender Standort gefunden, muss ermittelt werden, ob es dort überhaupt genug Wind gibt. Denn natürlich wird die Anlage nur gebaut, wenn sie langfristig wirtschaftlich betrieben werden kann. Ein Jahr lang wird dafür auf einem ca. 100 Meter hohen Windmessmast die Windgeschwindigkeiten ermittelt. Ist das Winddargebot zufriedenstellend, ist ein erster wichtiger Schritt in der Projektentwicklungsphase geschafft.
Was sind die nächsten Schritte?
In Abstimmung mit den Standortgemeinden folgt eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung – auf Basis der verschiedenen Schutzgüter werden eine Vielzahl von Gutachten erstellt und die Auswirkungen des Projektes unter Federführung des jeweiligen Landesbehörde untersucht und bewertet. Unter anderem wird auch die Ornithologie berücksichtigt. Im Windpark Pottendorf/Tattendorf ist zum Beispiel der Kiebitz beheimatet. Auf Basis einer Auflage im UVP Bescheid wurden 7,5 Hektar Ausgleichsflächen geschaffen, die mit entsprechenden Gräsern bepflanzt wurden und ihm ein neues bzw. erweitertes Zuhause bieten. Wir haben in Pottendorf eine sehr gut geeignete Fläche gefunden, die der Kiebitz auch sehr gut annimmt, wie sich gezeigt hat.
Welche Vorbereitungen sind für die Errichtung nötig?
Zu Beginn erfolgt die Windark interne Verkabelung und der Wegebau. Die Wege sind schwerlastfähig entlang von detaillierten Spezifikationen zu errichten, damit die Kräne und Bauteile angeliefert werden können. Ebenfalls exakt nach Spezifikation des jeweiligen Windkraftanlagenherstellers sind die Kranstellflächen zu errichten. Diese Stellflächen müssen komplett eben sein und eine ausreichende Tragfähigkeit aufweisen. Die Errichtung der Infrastruktur ist neben der eigentlichen Anlageninstallation einer der größten Baumaßnahmen.
Wie werden die Turbinen gebaut?
Die Turbinen werden schrittweise errichtet. Zu Beginn erfolgt der Fundamentbau. Die Fundamente werden je nach Bodenbeschaffenheit beispielsweise auf Betonpfählen errichtet, die sechs bis acht Meter tief in der Erde reichen. Eine entlang der statischen Erfordernisse ordentlich ausgeführte Fundamentierung ist für die weiteren Arbeiten und eine sichere Standfestigkeit der Turbine unumgänglich. Das Fundament selbst ist 2000 Tonnen schwer und besteht aus ca. 1000 Kubikmetern Beton und ca. 97 Tonnen Bewehrungsstahl. Es hat einen Durchmesser von 22 Metern und ist lediglich 3,5 Meter tief. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass die Windkraftanlagen im Windpark Pottendorf/Tattendorf eine Gesamthöhe von knapp 190 Meter aufweisen.
Wie werden die Türme errichtet?
Nach der technischen Abnahme des Fundaments kann mit dem Turmbau begonnen werden. Die Türme in Pottendorf/Tattandorf sind sogenannte Hybridtürme. Der untere Bereich bis ca. 90 Meter Höhe besteht aus Stahlbeton. Die Betonteile werden in Einzelsegmenten angeliefert und auf der Baustelle zu Kreissegmenten zusammengesetzt und aufeinandergestellt und verpresst. Der obere Bereich des Turms bis zur Nabenhöhe von 135 Metern besteht aus drei Stahlsegmenten, die für die Elastizität des Turms sorgen und helfen, Windturbulenzen auszugleichen. Sind die Stahlsegmente installiert, wird die sogenannte Gondel installiert. Die Gondel inkl. Rotorblätter wiegt ca. 250 Tonnen. Die Gondel besteht im Wesentlichen aus dem Generator und der Rotornabe. An der Rotornabe werden die drei Rotorblätter angeflanscht. Jedes Rotorblatt wiegt ca.21 Tonnen und besteht aus Glasfaserkunststoff. In der intensivsten Bauphase waren bis zu 60 Menschen gleichzeitig mit dem Bau beschäftigt. Bis zu vier Großkräne waren parallel auf der Baustelle im Einsatz.
Welche Schwierigkeiten gibt es?
Das alles sieht nach sehr grober Arbeit aus, es ist aber trotz der enormen Massen und Abmessungen eine sehr filigrane Arbeit. Der Kranführer und das Installationsteam müssen beispielsweise die Rotorblätter millimetergenau in die Rotornabe „einfädeln“. Der Kranführer hat die letzte Verantwortung darüber, ob am jeweiligen Tag Bauteile gehoben werden. Bei einer Windgeschwindigkeit von über 6 m/s wird aus Sicherheitsgründen beispielsweise die Installation von Rotorblättern eingestellt. Die Windangriffsfläche bei diesen sehr großen Bauteilen ist enorm.
Wie kommt der Strom ins Netz?
Sobald die Anlage fertig installiert ist, erfolgt der elektrische Anschluss der Windkraftanlage an die interne Windparkverkabelung. In der Folge beginnt die Inbetriebnahmephase inklusive umfassender Funktions- und Sicherheitstests. Mithilfe des neu errichteten Umspannwerks wird die erzeugte Energie von 20 kV auf 110 KV hochtransformiert und in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Insgesamt 28.600 Haushalte können mit Strom aus Pottendorf/Tattendorf versorgt werden. Ein Windrad, das sich eine Stunde lang bei Volllast dreht, deckt in etwa den Jahresenergiebedarf eines österreichischen Haushalts. Insgesamt produzieren die 15 Windräder des Windparks Pottendorf/Tattendorf 94.400 Megawattstunden Energie pro Jahr. Dadurch werden jährlich 52.800 Tonnen an CO2 eingespart und somit eine aktiver Beitrag zum Klimaschutz und zur Reduktion der Importabhängigkeit von fossilen Brennstoffen geleistet.
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Quelle: Energieleben Redaktion
Foto: Wien Energie/Hofer