Fachleute versuchen, alte Praktiken wieder verfügbar zu machen.
Dieser Artikel wurde am 4. Dezember 2015 veröffentlicht
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Gut 300 Jahre, nachdem die europäische Wissenschaft begonnen hatte, den Menschen und die sogenannte Natur, also unsere Mitwelt in kleinste Teile zu zerlegen, zu „erforschen“ und letztlich für die Wirtschaft verfügbar zu machen, erkennen die Menschen, dass dieses weitgehend ein Irrweg war. Erst 1992 hat die UNO in der Deklaration von Rio das Wissen der indigenen Völker Nord- und Südamerikas nicht nur als Schützenswert, sondern ihren Wert für die Lösung besonders der Ernährungsproblematik anerkannt. Die „Wissenschaftsgemeinde“ hat dann 2005 im Abschlussbericht der UN-Studie „Millenium Ecosystem Assesment“ diese Relevanz nicht nur auch anerkannt, sondern auch deren Beachtung und Einbeziehung in alle zukünftigen Studien und Planungen gefordert. 2010 hat dann endlich die Unseco in Florenz das internationale Zentrum für traditionelles Wissen (ITKNET) gegründet.

Die Arroganz westlicher Forscher ist letztlich die Ursache der globalen Probleme

Wie schon alle anderen „Hochkulturen“ steht die globalisierte, westliche Zivilisation im 21. Jahrhundert vor dem Scherbenhaufen einer beispiellos skrupellosen Verwüstung ihrer Lebensgrundlage. Noch nie waren so viele Menschen „auf der Flucht“, noch nie die Zerstörung durch menschliche Eingriffe in die Mitwelt so gravierend, wie aktuell. In dem naiven Glauben, die „Natur“ bis in die Tiefen des Universums entschlüsseln und schließlich beherrschen zu können, haben europäische „Gelehrte“ alles bisher vorhandene Wissen als Aberglauben und „wissenschaftlich nicht haltbar“ verworfen und durch ihre eigenen Konzepte ersetzt. Das Grundproblem dabei ist, dass das Denken in akademischen Kategorien sich in einer künstlichen Welt bewegt und damit an sich schon nicht in der Lage sein kann, weder den Bauplan des Kosmos noch so einfache Dinge, wie eine nachhaltige Landwirtschaft und die Gesundheit ihrer Mitglieder wirklich zu erkennen und sicher auch für folgende Generationen zu erhalten. Der größte Fehler ist dabei, dass letztlich nur die wirtschaftliche Verwertbarkeit das Ziel des Interesses ist, Wissen, welches nicht ökonomisch nutzbar ist gar nicht erst weiter beachtet wird. Am Ende hat ein Irrglaube, der auf abenteuerlichen philosophischen Modellen beruht das „westliche System“ an die von Rebecca Costa beschriebene „kognitive Schwelle“ geführt. Nur freie Denker, wie die Physiker Hans-Peter Dürr oder Werner Heisenberg erlauben sich, am Ende eines „Forscherlebens“ zuzugeben, dass sie einem Irrtum erlegen sind. Inzwischen jedoch steigen immer mehr sogenannte Fachleute von ihrem Elfenbeinturm herab, erinnern sich an noch freie Denker und Forscher, wie Alexander von Humboldt, geben ihr Denken in Kategorien, Hilfsmodellen und grotesken Konstrukten auf und lassen sich von den letzten Hütern des Wissens, das Menschen doch in Millionen Jahren „empirisch“ gesammelt haben belehren.

Die einst als „Untermenschen“ verachteten „Wilden“ sollen die Zukunft sichern

„Alte“ Gemeinschaften, wie die Moken und Urok Lawai in Thailand, Ong in Indien und Simeulue in Indonesien haben bei dem verheerenden Tsunami im Dezember 2004 alle ihre Mitglieder rechtzeitig in Sicherheit gebracht und insgesamt keinen Schaden erlitten. Sie hatten das extreme sich zurückziehen des Meeres aus altem Wissen sofort richtig gedeutet. Tausende „alte Gemeinschaften“ in Afrika, z.B. im Offintal in Ghana, haben kein Problem mit Trockenheiten und Erosion, weil sie alles Wasser aus Regen und eigenem Gebrauch auffangen und Bäume – auch auf den Feldern – so pflanzen, dass der fruchtbare Boden erhalten bleibt. Ursprünglich als Unsinn abgelegte Kenntnisse über pflanzliche Fasern, Farb- und Konservierungsstoffe, Öle, Parfüme, tierische und pflanzliche Gifte, Medikamente, Heilverfahren und eben altes Saatgut werden nun gesammelt und aufgearbeitet. Zahllose Krankheiten bis hin zu Krebs, die galoppierende Wüstenbildung und natürlich den Klimawandel haben die Forscher bisher nicht in den Griff bekommen, weil sie einsehen mussten, das genau ihre Art zu denken und zu arbeiten die Ursachen der meisten dieser Probleme waren und sind. In Spitzbergen befindet sich inzwischen in einem Bunker, der globale Katastrophen überstehen soll, ein Archiv, in dem tausende Samen von Pflanzen, die längst nicht mehr angebaut werden, ja als ausgestorben gelten gesammelt und aufbewahrt werden. Die UNO veranstaltet regelmäßig Reisen für Wissenschaftler aller Sparten nach Afrika und Südamerika, damit sie von einfachen Bauern lernen können, wie sie hätten arbeiten sollen. Wer allerdings für die Beseitigung der Schäden, die durch den Wahnsinn der letzten Jahrhunderte, zumindest seit Beginn der Industrialisierung angerichtet wurden aufkommt, ist noch lange nicht ausgemacht. Die Völkermorde z.B., die im Namen der Zivilisation des christlichen Abendlandes begangen wurden und werden sind nicht entschuldbar und nicht rückgängig zu machen.

Die meisten indigenen Gruppen weigern sich noch, ihr Wissen global verfügbar zu machen

Weil sie die Kannibalen aus dem „dunklen Europa“ genau kennen, weigern sich besonders in Südamerika Indiovölker ihr Wissen herzugeben. Längst sind Konzerne, Investoren vorstellig geworden, weil sie neue Geschäftsideen wittern und die „alten Methoden“ gewinnbringend, global und „im großen Stil“ ausbeuten wollen. Schon werden Kleinbauern, die seit Jahrtausenden in einer funktionierenden Subsistenzwirtschaft (nach europäischem Denken in bitterer Armut, was natürlich Unfug ist) leben, von ihren Feldern vertrieben, damit Platz für neue Großplantagen entsteht.
Genau das ist aber das europäische Problem. Die Menschen dort haben mit ihrem akademischen Wahn vergessen zu fühlen, die Mitwelt als Teil von sich – oder sich als Teil derselben – wahrzunehmen, sie als gleichberechtigt zu achten und zu respektieren und behauptet selbst Gottgleich zu sein. Keine Sorte an Gemüse oder Obst, keine Pflanze – und kein Lebewesen können beliebig global „verpflanzt“ werden, sondern müssen jeweils genau in das lokale Gleichgewicht eingepasst sein. Das nennt man „Evolution“, oder für die international orientierte Wissenschaftsgemeinde „it´s the evolution, stupid“. Kartoffeln werden in hunderten verschiedenen Sorten in jedem Tal der Anden anders angebaut, Mais hat in Afrika nichts zu suchen und Monokulturen sind selbst auf kleinen Flächen grober Unfug. Auf dem Kongress SOLIKON 2015 in Berlin in diesem September deckten viele Vertreter Südamerikas, Asiens und Afrikas die Dummheit europäischer und amerikanischer Fachleute, ja des westlichen Denkens der letzten Jahrhunderte auf. Diese denken „nur dem Geld hinterher“, wie sich etwas ökonomisch verwertbar gestalten lässt und zerstören dieses dabei letztlich. Weil man sie dafür bezahlt sägen sie eifrig an dem Ast, auf dem sie sitzen.
Diesem kannibalischen System des Denkens und Wirtschaftens werden die „wahren Menschen“, oder „first nations“ ihr Wissen und letztlich nämlich ihr Land und ihr Leben nicht noch einmal zum Fraß vorwerfen. Seit die Europäer vor 500 Jahren in Südamerika eingefallen sind und in ihrer beispiellosen Barbarei und Grausamkeit die dortigen Völker ihrer Sucht nach Silber und Gold geopfert haben, haben sie sich nun einmal „keine Freunde“ gemacht und sich schon gar nicht vertrauenswürdig gezeigt. Wem und in welcher Form das rettende Wissen nun zugänglich gemacht wird ist noch lange nicht geklärt. Ob und wie dieses überhaupt in den von den Europäern – nur zum eigenen Vorteil – gemachten juristischen Systemen so abzusichern ist, dass es nicht von irgendeinem Konzern sofort patentiert wird, ist auch nicht klar. Indien hat hier Erfahrungen mit plötzlich auftauchenden Patenten auf alte Sorten Basmatireis, Kurkuma oder Niem und durfte plötzlich ureigene Produkte nicht mehr anbauen, nutzen oder verkaufen. Nur mit der Macht von einer Milliarde Menschen im Rücken hat Indien sich schließlich über diesen Unfug hinweggesetzt und internationale Patentrechte in Indien außer Kraft gesetzt.
Das westliche akademische Denksystem ist nicht in der Lage, selbst die entscheidenden Bedingungen zu erfassen, solange nicht das Gift der Ökonomie aus den Köpfen verschwunden ist. Und die Fachleute müssen ihr Unwissen und ihre naive Dummheit eingestehen können, wenn sie wirklich „Erkenntnis“ erlangen wollen. Sie selbst haben in der Neuropsychologie die kognitive Schwelle entdeckt. Mit ihren eigenen und bisherigen Methoden lässt diese sich nicht überwinden.

Siehe auch: Auf den Ruinen der Imperien. Geschichte und Gegenwart des Kolonialismus. Edition le Monde diplomatique 2016. No 18

https://www.energieleben.at/der-mann-der-die-wuste-aufhielt/
http://www.geo.de/GEO/natur/green-living/baden-wuerttemberg-oekolandbau-landwirtschaft-ohne-gift-und-gentechnik-3890.html
https://www.energieleben.at/zurueck-zu-den-wurzeln/
https://www.energieleben.at/afrika-wird-alleine-gruen-aber-nur-allein/
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https://www.energieleben.at/biovision-erhalt-den-alternativen-nobelpreis/