Dieser Artikel wurde am 22. Mai 2011 veröffentlicht und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!Textilien sollen schön sein, und sie sollen billig sein. Durch dieses Motto sind viele Modeanbieter groß geworden.…
Dieser Artikel wurde am 22. Mai 2011 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Textilien sollen schön sein, und sie sollen billig sein. Durch dieses Motto sind viele Modeanbieter groß geworden. Auch wenn die Ketten offiziell für faire Arbeitsbedingungen und Ökologie eintreten: Mit T-Shirts um weniger als 5 Euro ist das praktisch nicht vereinbar.

Gebleichte Jeans sind im Trend – aber in der Türkei sterben junge Arbeiter aus der Textilindustrie an Staublungen. Näherinnen in Asien arbeiten 14 Stunden täglich und können vom Lohn kaum überleben. Riesige Baumwollplantagen müssen großzügig bewässert und mit Pestiziden vor Schädlingen geschützt werden. Davon profitieren am Ende die großen Handelsketten, aber auch die einzelnen Konsumenten in Europa.

Wer davon nicht profitieren will, kann Ökotextilien kaufen.

Mag.a Michaela Knieli ist seit 1999 Mitarbeiterin von „die umweltberatung“. Sie hat im Bereich Ernährung begonnen und ist heute Leiterin des Fachbereichs Chemie und Konsum. Damit fällt auch das Thema Kleidung und Ökotextilien in ihre Kompetenz.

Energieleben.at hat mit Mag.a Knieli über die Arbeit der Umweltberatung, über Billig-T-Shirts und über die Ökotextilien gesprochen.

Energieleben: Frau Mag.a Knieli, wie sind eigentlich Sie persönlich zum Bereich Textilien bei der Umweltberatung gekommen?

Michaela Knieli: Ich bin Ernährungswissenschaftlerin und habe mit dem Bereich Ernährung angefangen – diesen Bereich betreue ich auch immer noch – und über die Ernährung bin ich auch zu den Textilien gekommen.
Das hört sich aufs Erste gar nicht naheliegend an, aber es hängt doch sehr stark zusammen. Es geht in jedem Fall um Gentechnik im Anbau, Pestizideinsatz, um Rückstände von chemischen Mitteln.
Wenn man bedenkt, dass durch den Baumwollanbau, für Textilien, die Flächen für Nahrungsmittel verdrängt werden, ist es stimmig.
Es ist dazu gekommen, weil wir gemerkt haben: Die KundInnen wollen es.

Energieleben: Woran hat man gemerkt, dass es diesen Wunsch gibt?

Michaela Knieli: „die umweltberatung“ ist eine Einrichtung der Wiener Volkshochschulen GmbH, und unser Kerngeschäft ist die Service-Hotline 01/803 32 32. Von Montag bis Freitag kann man uns da erreichen und Umweltfragen für den Alltag stellen.

Es ist nicht immer so, dass wir steuern können, welche Fragen zu uns kommen. Das Thema Textilien, das ist von den Kunden gekommen. Wir haben bei unseren Vorträgen gemerkt, dass vor allem junge Eltern sehr daran interessiert sind. Denen ist ganz wichtig, rückstandsfreie Kleidung zu haben, einfach, um Allergien vorzubeugen.

Energieleben: Stichwort Kerngeschäft: Wie finanziert sich „die umweltberatung“ eigentlich?

Michaela Knieli: Wir bekommen eine Förderung von der MA 22, der Magistratsabteilung für Umweltschutz der Stadt Wien. Die ist sehr wichtig, ohne diese Förderung könnten wir nicht arbeiten. Allerdings reicht das natürlich lange nicht, also müssen wir Projekte zusätzlich machen, um unseren Betrieb zu finanzieren.

Energieleben: Für wen werden diese Projekte gemacht?

Michaela Knieli: Uns ist es ganz wichtig, dass wir mit unseren Projekten Themen bearbeiten, die wir dann in unserer Beratung weiter nutzen können. Meistens sind es öffentliche Ausschreibungen. Wenn etwas gesucht wird und wir mit unseren Themen dazupassen, dann machen wir das.

Energieleben: Gibt es Beispiele aus jüngerer Zeit?

Michaela Knieli: Zuletzt haben wir bei Fabrik der Zukunft mitgemacht, das waren zwei Projekte.
Das eine war „Ökotextilien: Aus der Nische zum Trendprodukt“. Das hat im Jahr 2006 begonnen.
Wenn man da nach Ökotextilien gefragt hat, hat das niemand gekannt. Ökotextilien hat es damals nur in diesen speziellen, kleinen Naturkostläden gegeben. Also haben wir die Naturtextilervernetzt, damit wir eine einheitliche Kommunikation schaffen können. Aus diesem Projekt damals ist die Ecotrend geboren, die erste Naturtextilmesse Österreichs, die 2007 und 2008 stattgefunden hat.

Heute ist die Verfügbarkeit da. Wenn man Ökotextilien kaufen will, dann kann man sie kaufen. Auch die großen Ketten bieten sie an, wie C&A oder H&M.

(c) hess natur
(c) hess natur
2009 haben wir gesehen, es braucht noch bessere Information, damit das Verkaufspersonal weiß, was es da verkauft. Es gibt zwar die Produkte, aber wenn man im Geschäft sagt, ‘ich hätte gern ein Bio-T-Shirt’, wird man möglicherweise nur zu einem Baumwoll-T-Shirt gewiesen.

2009 haben wir deshalb Unterrichtsmaterialien erstellt, für Textilschulen und auch AHS, und haben auch den Handel zu Schulungen eingeladen. Aus diesem Projekt gibt es ein Handbuch zum Thema Ökotextilien, und eine Übersicht der Textillabels in Österreich. Ein Dschungel. Unüberblickbar. Es ist dadurch eigentlich nicht nur für die Verkäuferinnen schwer, jemanden zu beraten – es ist auch für den Konsumenten nicht einfach, sich zurechtzufinden.

Energieleben: Bei den Textilien, da gibt es ja das Thema der so genannten „Billig-T-Shirts“, die in Billiglohnländern produziert und dann kreuz und quer über den Globus transportiert werden. Wo liegen denn da die großen Probleme?

Michaela Knieli: Um 5 Euro kann man in Europa nicht produzieren. Und darum ist die Textilindustrie abgewandert. Mit allen Nebenwirkungen: Die Menschen in den heutigen Produktionsländern haben einfach extrem schlechte Arbeitsbedingungen. Das ist das größte Problem.

Das Umweltthema ist natürlich auch wichtig. Also, wenn man beim Baumwollanbau sehr hohe Erträge haben will, dann macht man das natürlich mit allem Einsatz. Mit starker Bewässerung, mit Chemieeinsatz, und da geht extrem viel in die Baumwollerzeugung hinein. Nur 2% der landwirtschaftlich genutzten Fläche wird für Baumwolle genutzt – eigentlich wenig – aber es sind ungefähr 25% der Pestizide, die weltweit für die Baumwollproduktion eingesetzt werden.

Die Bauern haben keinen Arbeitsschutz, keinen Hautschutz, keine Atemmaske, möglicherweise Grundwasserprobleme vor Ort. Man kennt die Bilder von den Nähereien. Die hat man vor Augen, aber es beginnt schon vorher, es beginnt bei der Arbeit der Bauern.

Natürlich: Auch für die Näherinnen sieht es nicht besser aus. Da gibt es drastische Arbeitsbedingungen, extrem viele Überstunden, die nicht bezahlt werden, 7-Tage-Woche, wo sie im Akkord arbeiten müssen, ohne Pausen, schlechte Luft, kein Tageslicht, keine Belüftung, keine Möglichkeit, kurz Pause zu machen, extreme Unterbezahlung, wenn man überhaupt bezahlt wird.
Die Näherinnen können davon nicht leben.

Energieleben: Was ist der Ausweg?

Michaela Knieli: „Living Wages“, das ist die Forderung der NGOs. Das bedeutet, dass die Löhne dem Land angepasst sein müssen, den Lebensbedingungen vor Ort: Man muss davon leben können, eine Familie ernähren können. Weil nur so kann man die Kinderarbeit verhindern.
Man kann leicht sagen, ”Ich will keine Kinderarbeit bei meinem T-Shirt haben’, aber da muss auch gewährleistet sein, dass die Eltern genug verdienen, damit die Kinder nicht arbeiten müssen.
Das ist eben bei so günstigen Preisen schwer möglich.

Energieleben: Welche Möglichkeiten hat man denn als Kunde, etwas zu tun?

Michaela Knieli: Die Nachfrage. Ich würde sagen, das geht mittlerweile schon sehr gut. Man kann sogar zum Diskonter gehen. Der Hofer bietet manchmal Textilien mit Global Organic Textile Standard an. Das ist der Standard, der weltweit gültig ist, wo sich alle großen Textilverbände zusammengesetzt haben und geschaut haben, was sind die Mindestanforderungen, die wir für ökologische und faire Produktion brauchen. Das ist dabei der kleinste gemeinsame Nenner, der aber doch schon relativ hoch ist: bezüglich der Rückstände, bezüglich der Pestizideinsätze.
Man muss nur mit offenen Augen in Textilgeschäfte gehen und auch nachfragen. Da würde ich empfehlen, nach diesem Label zu fragen.

Energieleben: Wie weit kann man denn eigentlich dem Label „Bio“ vertrauen? Das ist ja etwas, das schnell irgendwo draufstehen kann.

Michaela Knieli: Also generell ist es so, es darf nur draufstehen, wenn es auch Zertifikate dafür gibt. Schwarze Schafe gibt es, aber ich muss sagen, in der Bio-Szene kommt es relativ selten vor. Die werden sehr gut kontrolliert, entlang eines jeden Segments der textilen Kette, und vor allem: Die beste Kontrolle ist der Konkurrent.
Ich gehe davon aus, dass es passt.

Energieleben: Woran erkennt man denn als Kunde, ob ein Kleidungsstück nachhaltig hergestellt ist oder nicht. Kann man das überhaupt erkennen?

Michaela Knieli: Ich glaube, dass man es weiß, beim Einkaufen. Zufällig kauft man Ökotextilien nicht. Im Lebensmittelbereich kann es einem schon passieren, dass man zufällig einmal ein Produkt nimmt und dann draufkommt, das ist Bio. Aber in so großen Mengen gibt es das im Textilbereich nicht. Die Verkäufer werben aber damit. Also, wenn etwas ökologisch gemacht ist, dann steht es auf dem Etikett.
Meistens steht drauf, aus biologischer Baumwolle, aus Biobaumwolle, oder die jeweiligen Labels. Zum Beispiel der Global Organic Textile Standard.

(c) hess natur
(c) hess natur
Energieleben: In Sachen Preis: Wie weit liegen denn da Ökotextilien und
gewöhnliche Textilien auseinander?

Michaela Knieli: Das ist jetzt sehr schwer zu beantworten, denn es kommt darauf an, womit ich es vergleiche. Will ich das mit H&M und Kik vergleichen, dann ist es schon sehr weit auseinander. Wenn man es wieder mit hochpreisigen Waren aus Boutiquen vergleicht, aus verschiedenen Ketten, dann sind die Preise nicht höher.
Es gibt Bio-T-Shirts schon um die 20 Euro.
Es gibt auch da viele Staffelungen, auf jeden Fall kann man sagen, es ist leistbar.

Energieleben: Was muss eigentlich passieren, damit Ökotextilien sich voll durchsetzen?

Michaela Knieli: Ich denke, den KonsumentInnen ist sicher sehr viel zu verdanken. Wenn etwas gekauft wird, dann wird es auch produziert. Was es braucht, ist Aufklärung. Deshalb bemühen wir uns darum, die Unterschiede darzustellen. Welchen Vorteil man von Ökotextilien hat. Also nicht nur für die Haut, weil ich mir sicher sein kann, dass keine Rückstände drin sind, sondern auch, dass ich für die Umwelt etwas bewirke. Und auch für das Wohl der Menschen, die dafür arbeiten und ein T-Shirt herstellen.

Textilien können manchmal Allergien auslösen, aber es ist schwierig, es auf ein Kleidungsstück zurückzuführen. Das kommt ja nicht sofort, und man wechselt auch die Kleidung, man weiß dann nicht, was es genau war. Allergien entstehen durch viele Einflüsse, es wird geschätzt, dass nur zwei Prozent der Allergien von Textilien kommen.
Und da ist noch eine Frage: Wäscht man die Textilien auch, bevor man sie zum ersten Mal trägt?

Das ist jedenfalls eine Empfehlung, die wir immer geben, also: Auf jeden Fall erst einmal waschen.

Energieleben: Wie ist denn der Einfluss der Transportwege auf die gesamtökologische Bilanz? Ein T-Shirt, das, sagen wir, aus Sumatra hergebracht wird, per Schiff in den Containern; ist da die Belastung stärker, als wenn es, beispielsweise aus dem Mühlviertel kommt?

Michaela Knieli: Textilien reisen um den Globus herum. Da gibt es Berechnungen, dass so ein T-Shirt 38.000 Kilometer drauf hat. Überraschenderweise, wenn man nur die CO2-Emissionen anschaut, dann sind die nicht so schlimm, wenn es per Schiff kommt. Es kommt immer aufs Transportmittel an. Der Transport mit dem Flugzeug macht extrem viel aus.

Wobei man natürlich schon bedenken muss, dass Transportmittel nicht nur CO2-Emissionen haben, sondern Transport bringt ja auch Lärmbelastungen, Todesfälle auf den Straßen oder bei den Schiffen… Schiffsanstriche sind teilweise für die Meeresbewohner giftig.

Das Schwierige ist halt, dass man als Konsument nicht erkennen kann, wie weit die Textilien gereist sind. Das finde ich auch bei Lebensmitteln problematisch: Man kann nicht erkennen, wie weit das Produkt gereist ist. Und ich denke, viele würden sich vielleicht für andere Produkte entscheiden, wenn sie wüssten, wie viele Flugkilometer und welche Auswirkungen damit verbunden sind. Nur weil das Produktionsland dasteht, das heißt noch nichts.

Kennzeichen von den chemischen Stoffen, die bei der Verarbeitung verwendet wurden, gibt es ja auch nicht.

Nein… und man muss dazusagen, vieles wäscht sich auch im Produktionsprozess heraus. Und wahrscheinlich wäre man überfordert. Das wären Tausende an chemischen Mitteln. Man kann davon ausgehen, dass zirka 8 Prozent am Gewichtsanteil der Kleidung chemische Hilfsmittel sind. Also da ist schon einiges drin.

Nur muss man sagen, dass die Technologie schon so weit ist, dass es tendenziell weniger Beanstandungen gibt. Ökotest macht da immer wieder Untersuchungen. Es kommt eher zu Beanstandungen bei Gummistiefeln, weil Weichmacher drinnen sind, die hormonähnlich wirken. Und Sportkleidung ist manchmal ein Problem.

Energieleben: Welche Warnsignale gibt es bei Kleidungsstücken? Wann muss man aufpassen?

Michaela Knieli: Aggressive Farben und T-shirts, die gummiartige Aufdrucke haben, tendenziell werden die in Tests mehr beanstandet.

Und ich würde empfehlen, nichts zu kaufen, wo draufsteht: “Vorsicht, blutet aus“. Da ist die Farbe nicht gut fixiert im Produkt, die Farbe wird immer rausgehen. Man kennt das dann oft, die Haut ist vielleicht blau, nachdem man eine neue Jean trägt. Wenn das nach zweimal Waschen vorbei ist, ist es ja kein Problem, aber bei manchen Produkten ist das immer. Das heißt, es wird immer Chemie an die Haut abgegeben.

Oder mikrobiologische Ausrüstungen würde ich auch nicht empfehlen. Socken zum Beispiel müssen nicht bakterienhemmend sein. Man wäscht sie einfach gut.

Energieleben: Was gibt es denn in der Arbeit hier für Erfolgserlebnisse?

Michaela Knieli: Erfolgserlebnisse, das sind einfach Konsumenten, die gern etwas wissen wollen, die sagen, es ist ihnen wichtig, wo ihr Kleidungsstück herkommt. Fragen von KonsumentInnen sind ein Erfolgserlebnis – weil da merkt man: Wir machen das ja wirklich für Leute, die das interessiert.
Wenn man merkt, im Konsum ändert sich etwas.
Und darum geht es bei uns ja: Konsumverzicht, das wollen wir alle nicht.
Ich denke mir, es geht um einen bewussten Konsum.

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