Radfahren in der Stadt, das war früher Abenteuer und Einzelkämpfertum. Das hat sich geändert. Es gibt inzwischen ein recht ansehnliches – wenn auch noch nicht lückenloses – Fahrradnetz, es gibt die so genannten “Gratisräder” an diversen Stationen, und der Anblick von Fahrradfahrern im Stadtverkehr ist längst keine Seltenheit mehr.
Radfahren ist wichtig geworden – und daher gibt es seit 1. November des Vorjahres in Wien auch einen offiziellen Radfahrbeauftragten. Martin Blum ist selbst begeisterteter Radfahrer und war früher beim VerkehrsClub Österreich (VCÖ) für den Bereich Verkehrspolitik zuständig. Gemeinsam mit Susanne Reichard und Christian Rupp hat er heuer schon eine Reihe von Rad-Aktionen aufgestellt: Kinder aufs Rad, Radel zur Arbeit, die Einrichtung des FahrRADhauses in den Räumlichkeiten der Planungswerkstatt Wien und aktuell die Gratis-Reparaturaktion “Mit dem Rad in den Sommer“.
Sein erklärtes Ziel ist es, dass die drei umweltfreundlichen Mobilitätsformen – Zufußgehen, Radfahren und Öffentlicher Verkehr – zunehmen.
energieleben.at hat Martin Blum um ein Gespräch gebeten:
energieleben.at: Die Radagentur gibt es jetzt seit über einem halben Jahr. Was konnten Sie in dieser Zeit in Wien bewegen?
Martin Blum: Die Radagentur hat mit Anfang November 2011 ihre Arbeit aufgenommen. Seit dieser Zeit arbeiten wir dafür, dass mehr Wienerinnen und Wiener Lust auf Radfahren in der Stadt bekommen. Wir haben zahlreiche Veranstaltungen für das Radfahrendruch geführt, mit dem FahrRADhaus eine zentrale Anlaufstelle für alle Interessierten geschaffen und sind dabei, Radfahren in Wien als Marke zu präsentieren. Wichtig an unserer Arbeit ist auch: Wir haben viele Gespräche geführt, denn wir sind die Schnittstelle zwischen Radlobbies, Infrastruktur, Politik und Menschen, wenn es ums Radfahren geht.
energieleben.at: Warum soll man überhaupt radfahren?
Martin Blum: Das Fahrrad ist das schnellste Fortbewegungsmittel, das mit eigener Muskelkraft angetrieben wird. Aber noch wichtiger: Radfahren macht Spaß und Radfahrende brauchen kein Fitnesscenter mehr. Die tägliche Portion Bewegung bekommen sie bei der Fahrt in die Schule oder Arbeit.
energieleben.at: Warum soll man in der Stadt radfahren?
Martin Blum: Wer mit dem Rad einmal durch die Stadt gefahren ist, merkt es: Radfahrende erleben die Stadt anders, als wenn sie etwa mit dem Auto durch Wien fahren. Sie entdecken Orte, Plätze und Gassen, die sie vorher nicht gesehen haben. Es bringt sehr viel Freude. Außerdem entfällt das Parkplatzsuchen und mit den Rad kann ich von Tür zu Tür fahren. Ohne Umsteigen.
energieleben.at: Das Argument schlechthin fürs Autoverkehr ist das Einkaufen. Familieneinkäufe, Einkäufe fürs lange Wochenende, der neue Küchentisch von Ikea. Wie entkräften Sie das?
Martin Blum: Für den Wochenendeinkauf gibt es mittlerweile sehr gute, praktische Taschen, die am Rad befestigt werden können und in denen der Wochenendeinkauf Platz findet. Auch Lastenfahrräder, mit denen ich auch meine Kinder von der Schule abholen kann, gibt es in Wien immer öfter. Wer sich einen neuen Küchentisch kauft, kann sich ja einen Transporter im Möbelhaus ausborgen.
energieleben.at: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Zuständigen für die Wiener Radwege und den Magistratsabteilungen?
Martin Blum: Die Zusammenarbeit passt gut. Die Radagentur ist die Schnittstelle zwischen Verwaltung, NGOs und den Menschen in Wien. Viele wenden sich mit guten Verbesserungsvorschlägen an uns. Wir geben diese weiter und bringen uns mit unserem Know-How in die Planungen ein.
energieleben.at: Die Radagentur ist ja unter anderem ein Empfänger für die Beschwerden zum Thema Radverkehr. Was ist dabei das heißeste Thema?
Martin Blum: Die Radagentur Wien unter anderem zuständig für die Vernetzung der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt mit dem Magistrat, was das Thema Radfahren betrifft. Ideen, Anliegen, aber auch Sorgen langen bei uns ein. Es lässt sich kein Thema herausschälen, das als „heißes Eisen“ zu bezeichnen wäre. Wir erkennen aber, dass immer mehr Menschen in Wien Rad fahren, also wollen die Radfahrenden auch mehr Platz.
energieleben.at: Wie kommt das Fahrradfahren und wie kommen Fahrradfahrer aus Ihrer Sicht in der Bevölkerung an? Stichwort: Radwege/Fußwege/Ruf nach Nummerntafeln.
Martin Blum: Es gibt international und in Wien einen Radfahr-Trend. Das Fahrrad ist ein sehr gutes Verkehrsmittel für die Stadt. Es ist schnell, wendig und flexibel. Es vermittelt Lebensfreunde und wer am Rad unterwegs ist, erlebt seine Stadt ganz anders. Wichtig ist aber auch, dass es auf den Straßen ein Miteinander statt ein Gegeneinader gibt. Nummerntafeln für Fahrräder lehne ich ab. In keinem anderen Land der Erde gibt es etwas Vergleichbares. Die Haftpflichtversicherungsplakette in der Schweiz, die gerne Nummerntafeln genannt wird, gibt es seit Jahreswechsel auch nicht mehr.
energieleben.at: Mit Rückenwind von der „Velo-City 2013“ wird das Fahrradfahren in Wien im kommenden Jahr ja voraussichtlich besonders präsent sein. Was ist „Velo-City“ eigentlich?
Martin Blum: Die Velo-City ist eine internationale Konferenz zum Thema Radfahren. Neue Trends, Wissen und Erfahrungen von Expertinnen und Experten werden bei dieser Konferenz ausgetauscht. Es ist eine große Ehre und eine Chance für Wien, dass im Jahr 2013 die Velo-City im Wiener Rathaus und am Rathausplatz stattfinden wird. Die Velo-City wird in Wien den Boom des Radfahrens, den es jetzt schon gibt, noch verstärken.
energieleben.at: Was haben wir Alltags- und Freizeitradfahrer von dem Event?
Martin Blum: Anders als bei anderen Konferenzen wird die Velo-City in Wien spür- und erlebbar sein. Das Konzept der Konferenz sieht vor, dass es zahlreiche Veranstaltungen geben wird, die für die Teilnehmenden wie für die Wiener Bevölkerung spannend und unterhaltsam sein werden. So soll den Menschen in Wien noch mehr Lust aufs Radfahren gemacht werden.
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