Energie ist die einzige universelle Währung. Ohne Energie geht nichts, schreibt Professor Vaclav Smil von der University of Manitoba in Kanada.
Dieser Artikel wurde am 16. Mai 2018 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Verbesserungen in der Bereitstellung und Nutzung von Energie gehen Hand in Hand mit zivilisatorischem Auf- und Abstieg. Nicht umsonst ist einer der häufigsten Kriegsgründe bis heute der Zugang zu Ressourcen. Wer auf diesen Zusammenhang von Energie und Zivilisation einen genaueren Blick werfen möchte, dem sei das fast 600 Seiten dicke Buch Energy and Civilization: A History von Vaclav Smil aufs Nachtkästchen gelegt.

Vaclav Smil ist gebürtiger Tscheche und kurz vor dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die damalige Tschechoslowakei in die USA ausgewandert. Der emeritierte Professor für Umweltwissenschaften ist der Autor von über 40 Büchern im Themenbereich Energie, Umwelt, Zivilisation, Industrialisierung. 2010 wurde Vaclav Smil vom Magazin Foreign Policy zu den 100 einflussreichsten globalen Denkern gezählt. 

Smils Buch ist eine tiefgehende Beschreibung wie Energie die menschliche Gesellschaft geformt hat, von prähistorischen und vor-landwirtschaftlichen Zeiten bis zur heutigen, von fossilen Treibstoffen angetriebenen Gegenwart.

In den ersten Kapiteln über die Frühgeschichte der Menschheit entwickelt Smil seine Argumentationsbasis für seinen Blick auf die Geschichte, nämlich die Prämisse der Abhängigkeit aller lebendigen Organismen an Energie in nutzbarer Form heran zu kommen. Die Menschen wurden dafür von der Natur mit einigen Vorteilen wie auch Nachteilen ausgestattet. So ist zum Beispiel der aufrechte Gang nicht nur unglaublich nützlich um mit den Händen Werkzeuge zu benutzen, sondern bringt auch einen riesigen Energie-Vorteil. Wir Menschen verbrauchen beim Gehen 75% weniger Energie als unsere nahen Verwandten die Schimpansen. Und was hat die Evolution mit dieser frei gewordenen Energie gemacht? Sie hat sie unter anderem in die Entwicklung des Gehirns gesteckt. 20-25% des menschlichen Energiehaushaltes reklamiert das Gehirn für sich, nur 8-10% sind es bei anderen Primaten.

Den Anfang früher Agrarkulturen beschreibt Smil als einen Rückschritt, wenn man nur die Netto-Energiebilanz betrachtet. Frühe Landwirtschaft war alles andere als effizient und anderen bestehenden Formen der Nahrungssuche unterlegen. Trotzdem konnte sie sich im Laufe von Jahrhunderten durchsetzen, weil sie größere Gemeinschaften ermöglichte in der sich eine größere und breitere Diversifizierung von Aufgaben entwickeln konnte. Nicht jeder musste sich nur mehr um die Nahrungssuche kümmern und so wurden Kapazitäten für die Entdeckung und Entwicklung neuer Materialien und Werkzeuge frei.

Und heute? Was können wir aus Smils Geschichtsschreibung konkret für die Gegenwart lernen? Sehen wir dazu auf die letzte große Energiewende, jene von Kohle zu Öl. Der verbreitete Eindruck, dass das 20. Jahrhundert das Jahrhundert des Öls war und die Kohle das 19. Jahrhundert bestimmte ist falsch. Smil zeigt das Holz die wichtigste Energieform vor 1900 war. Und wenn man sich das gesamte 20. Jahrhundert ansieht dann liegt Kohle mindestens 15% vor Öl.

Energiewenden passieren also nicht von heute auf morgen und jeder Wechsel zu einem neuen Energieträger basiert auf der intensiven Nutzung existierender Energieträger.

“Every transition to a new form of energy supply has to be powered by the intensive deployment of existing energies and prime movers: the transition from wood to coal had to be energized by human muscles, coal combustion powered the development of oil, and … today’s solar photovoltaic cells and wind turbines are embodiments of fossil energies required to smelt the requisite metals, synthesize the needed plastics, and process other materials requiring high energy inputs.” (Energy and Civilization, Seite 230)

Smil beendet seine Geschichte mit einem Blick auf die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen und beschreibt die aktuelle Energiewende hin zu erneuerbaren Energien als notwendig, unausweichlich und sehr schwierig. Notwendig weil unser CO2 Ausstoß das Klima negativ verändert. Unausweichlich weil die fossilen Vorräte zu Ende gehen und sehr schwierig weil unsere ökonomischen Strukturen auf Verbrauchswachstum basieren und weil noch immer ein großer Teil der Weltbevölkerung in absoluter Energiearmut lebt.

Wer sich vom Umfang des Buches und der englischen Sprache nicht abhalten lässt, bekommt eine erkenntnisreiche und spannende Geschichte der Menschheit präsentiert, von einem Autor über den Microsoft Gründer Bill Gates schreibt: “there is no author whose books I look forward to more than Vaclav Smil”.

Vaclav Smil: Energy and Civilization: A History. MIT Press ISBN: 9780262035774

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