Der gebürtige Oberösterreicher Paul Schmitzberger ist CEO eines ganz besonderen Start-ups – Foto: © Blue Planet Ecosystems
Der gebürtige Oberösterreicher Paul Schmitzberger ist CEO eines ganz besonderen Start-ups – Foto: © Blue Planet Ecosystems
Mit einer Bastelei am Balkon und einer Gründung vor eineinhalb Jahren hat begonnen, was schon heute der Anfang einer Revolution in der weltweiten Ernährungsnachhaltigkeit sein könnte. Fisch aus Sonnenlicht quasi. Der gebürtige Oberösterreicher Paul Schmitzberger hat mit Blue Planet Ecosystems gerade ein Patent eingereicht, das die weltweite Fischzucht beeinflussen könnte. Und zwar ökologisch und ökonomisch sinnvoll.

„Die Kraft der Natur nutzen, ohne sie auszunutzen“ – das ist das Motto von Blue Planet Ecosystems. Ein ökologisches Start-up, das in seiner nicht einmal zweijährigen Geschichte wohl schon mehr erlebt hat, also so manch Jahrzehnte lang bestehendes Unternehmen. Gemeinsam mit seinem Bruder Georg – heute Chief Technology Officer des Teams – und dem Chief Scientific Officer sowie Molekularbiologen Thomas Daniele gründete CEO Paul Schmitzberger das Unternehmen Blue Planet Ecosystems. Das Start-up hat ein System entwickelt, das vor allem die maritime Umwelt schützt und gleichzeitig nachhaltige Fischzucht ermöglicht. „Prototyp konnte man das nicht noch nennen“, sagt Paul über die erste „Bastelei“, die er mit seinem Bruder auf dem Balkon in Ottensheim in Oberösterreich entwickelte. 

Die Vision des Gründers war aber so klar, dass auch die Köpfe des internationalen Nachhaltigkeits-Investoren-Systems IndieBio auf die heimischen Erfinder aufmerksam wurden. Dadurch wurde der Unternehmenssitz im Februar 2019 kurzerhand ins berühmte kalifornische Silicon Valley verlegt. Aber schon vergangenen Sommer wählte man als Hauptstandort wieder Österreich – konkret Wien: „Hierzulande gibt es einfach idealere Standortbedingungen und besondere Vorteile im Bereich Kostenstruktur oder Personal“, erklärt Profi Paul Schmitzberger diesen Schritt. Ingesamt konnten durch die Unterstützung von IndieBio über eine Million Dollar an Investitionen aufgestellt werden, um in Zukunft aus Sonnenlicht Shrimps zu erzeugen. Das Patent dafür wurde soeben eingereicht. Grund genug, um den Chef von Blue Planet Ecosystems zum Profi-Interview zu treffen, um uns von ihm die Unternehmensentwicklung im Rekordtempo noch einmal Schritt für Schritt erklären zu lassen. 

Blue Planet Ecosystems – wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, eine nachhaltige Form der Fischzucht zu entwickeln?

Paul Schmitzberger: „Wir bei Blue Planet Ecosystems sind ein Team aus Biologen, Ingenieuren und auch Wirtschaftlern. Genau diese Mischung der Professionen ist es auch, die Grundlage der eigentlichen Idee hinter unserem Produkt ist: Ich habe nämlich einerseits BWL auf der WU sowie Volkswirtschaft an der der University of Hong Kong studiert und gleichzeitig das Studium der Energietechnik mit dem Schwerpunkt auf nachhaltige Energiesysteme absolviert. Diese parallel laufenden Studien haben mich dazu inspiriert, eine Symbiose aus diesen beiden Welten zu erschaffen.“ 

Wie genau sieht diese Symbiose denn jetzt aus – bzw. was genau sollte verschmelzen?

Paul Schmitzberger: „Wenn man sich erneuerbare Energie anschaut, ist das technisch zwar sehr interessant, aber dafür wirtschaftlich oft sehr herausfordernd. Auch wenn das glücklicherweise gerade besser wird, aber prinzipiell besteht hier seit jeher eine ökonomische Herausforderung – auch bei Technologien wie Wasserkraft. Da war eben meine Überlegung: Warum nehmen wir nicht die Technologien und die Herangehensweise der Energietechnik und kombinieren sie mit der Biologie? Also die Grundfrage lautete, ob wir technische Designprinzipien, die wir z. B. aus der Solartechnik kennen, nicht so nutzen können, dass sie auch auf die Biologie umlesbar sind. Und so griffen die Gedanken dann ineinander. Es gibt ja ein Modell, das besagt, dass ein erfolgreiches Produkt gesellschaftlich, aus Umweltsicht und ökonomisch Sinn machen muss. Und gerade dieser Umweltaspekt wird immer wichtiger. In Europa wird es etwa schon ab 2021 nicht mehr möglich sein, dass sich ein sogenanntes „non-sustainable Business“ – wie etwa die Erdölindustrie – über die europäische Investitionsbank Finanzieren kann. Nachhaltige Fonds, nachhaltige Unternehmen, nachhaltige Strategien – das ist die Zukunft. Und wir möchten die Fischzucht nachhaltiger gestalten.“ 

Fischzucht nachhaltig gestalten – das ist das Ziel des Unternehmens. Foto: © Blue Planet Ecosystems
Fischzucht nachhaltig gestalten – das ist das Ziel des Unternehmens. Foto: © Blue Planet Ecosystems

Indem Sie auf Lichtnahrung für Fische und Shrimps setzen?

Paul Schmitzberger: (lacht) „Vereinfacht ausgedrückt ja. Es geht dabei aber nicht darum, die klassische Fischerei zu verteufeln, doch schon jetzt sind Teile des Ozeans überfischt. Auch wenn der Ozean an sich riesig ist, ist seine Produktivität im Verhältnis dazu eher gering. Die Gegenden, in denen Fische für unsere Ernährung gedeihen können, sind relativ klein. Das Meer ist also kein unendlicher Pool an Speisefisch, auch wenn die Nachfrage nach ihm steigt. Fisch ist der wichtigste Proteinmarkt der Welt. Die Nachfrage steigt linear. Schon jetzt wissen wir, dass sie sich in 30 Jahren verdoppelt haben wird, obwohl die Ressourcen bereits am Maximum gehandelt werden. Unsere Hoffnung ist, dass wir hier gegensteuern können, indem wir Fisch nicht aus dem Meer holen, sondern ihn in bestimmten Farmen produzieren.“ 

Aber Fischfarmen gibt es doch schon jetzt. Wo ist der Unterschied im Blue Planet Ecosystem?

Paul Schmitzberger: „Ganz einfach: Derzeit sind Fischfarmen immer noch an den Ozean gebunden, weil man zur Fischzucht Fischmehl braucht. Und zwar viel: Für ein Kilo Lachs braucht es zwei Kilo Fischmehl. Und das kommt aus dem Meer. Und genau hier wollen wir uns entkoppeln. Mit unserer Technik braucht es in Zukunft kein Fischmehl und kein Soja mehr, weil wir das Ökosystem selbst nachhaltig nachbilden“

Welche Technik wurde hierfür neu entwickelt?

Paul Schmitzberger: „Mein Bruder, der Bauingenieur ist, hat mit mir einen Photobiorekator gebaut. Das konnte man noch keinen Prototyp nennen, das war viel eher eine Bastelei, die noch auf unserem Balkon stattgefunden hat. Ernsthaften Aufwind hat das Ganze bekommen, als wir bei IndieBio aufgenommen wurde. Ein Investor, der auf Biotechnologie setzt und prinzipiell Technologien fördert, die in den Bereich von Gesundheit, Pflanzenkraft und Therapie fallen. IndieBio ist der Investor, der als erstes in pflanzenbasiertes Fleisch investiert hat. Das Motto ist, aus Erfindern Unternehmer zu machen. Darum arbeiten sie in erster Linie mit StartUps zusammen, die aus dem wissenschaftlichen Bereich kommen. Sie setzen auf Forschung und auf Unterstützung jeglicher Struktur. So haben wir im Dezember 2018 gegründet und in nur vier Monaten dann den tatsächlichen Prototypen in San Francisco gebaut. Und erst vor wenigen Tagen haben wir das Patent eingereicht, dafür, wie wir ein aquatisches Ökosystem nachbauen. Unsere Entwicklung geht aber vor allem auch deswegen so extrem schnell, weil IndieBio nicht nur Geld investieret, sondern auch alle anderen Ressourcen zur Verfügung stellt: von der Laborstruktur über Anwälte und Coaches und sogar New York Times-Bestsellerautoren, die mit uns den Pitch entwickelt haben, bis hin zu Marketing und Fundraising. Denn Geld ohne Coaching bringt genau so wenig wie Struktur ohne Finanzen. Da sie wirklich viel Geld investierten, versuchen diese Investoren eben, eine intensive Symbiose einzugehen und von der Idee über die Laborphase bis hin zum Verkauf des fertigen Produkts wirklich alles zu unterstützen.“ 

Von der Bastelei am Balkon zum eingereichten Patent in Rekordzeit. Foto: © Blue Planet Ecosystems
Von der Bastelei am Balkon zum eingereichten Patent in Rekordzeit. Foto: © Blue Planet Ecosystems

Apropos fertiges Produkt: Wie wird diese Ökosystem funktionieren?

Paul Schmitzberger: „Das Ziel ist, dass wir Sonnenlicht und CO2 in tierisches Protein umwandeln – konkret in Fisch. Was jetzt hochtechnisch klingt, passiert in Wahrheit um uns herum ständig. Algen wandeln Sonnenlicht in Biomasse um, diese Masse wird von Plankton gefressen und das ist wiederum die Nahrungsgrundlage für Shrimps und Fische. Diesen Kreislauf wollen wir künstlich und ökologisch durch den Einsatz von Sonnenlicht nachbauen. Ähnliche Gedanken kennt man von Aquaponik, wo Fische und Nutzpflanzen sich in einer Kultur gegenseitig bedingen. Das bleibt aber ein offener Kreislauf. Denn auch wenn die Ausscheidungen der Fische in Aquaponik-Kulturen die Nährstoffe für beispielsweise Salat liefern, brauchen die Fische trotzdem wieder Futter von außen. Wir gehen einen Schritt weitern und wollen mit Blue Planet Ecosystems diesen Kreislauf schließen.“ 

Wodurch wird das möglich werden?

Paul Schmitzberger: „Pflanzen haben es vor sehr, sehr langer Zeit geschafft, die Energie der Sonne für sich nutzbar zu machen. Sie schaffen es also, sich von Licht und Wasser zu ernähren und das ist wirklich faszinierend. Organismen, die sich von Pflanzen ernähren, sind die Nutznießer dieser Fähigkeit. Nachdem dieses System so alt ist, herrschen zwischen den Organismusgruppen enge Verbindungen. Unser CO2 wird z.B. wiederum von den Pflanzen aufgenommen. Diesen Prozess bauen wir in einem hochkontrollierten System nach. Anstatt mit Sonnenlicht eine Kilowattstunde Strom zu erzeugen, nehmen wir biologische Maschinen, um mit Sonnenenergie statt Strom quasi Kalorien zu erzeugen. Verkürzt gesagt, entstehen so Shrimps aus Sonnenlicht.“

Fotos: © Blue Planet Ecosystems


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