Die Engländer haben ihrem Unbehagen in der EU nachgegeben.

Der Schock über den Brexit könnte heilsam sein. Eine Revolution entsteht immer dann, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass die Institutionen nicht mehr ihre Wünsche und Bedürfnisse befriedigen. Dieses Gefühl greift schon seit langem und nun durch die „Bedrohung von außen“, durch die Welle der Flüchtlinge um sich. Nationalisten greifen es willig auf. Großbritannien wollte niemals Teil des Kontinents sein und war schon bei der ersten Gründung der Montanunion 1951 demonstrativ „nicht dabei“. Die damalige EWG war ein Versuch in Europa, nach dem letzten Weltkrieg den Frieden durch eine gemeinsame und möglichst eng verflochtene Wirtschaftspolitik zu sichern. Mehr ist es bis heute nicht gewesen und an eine Heimat für die Menschen hat dabei niemand gedacht.

 

Der Systemfehler: Staatsgrenzen definieren Marktbereiche

 

Staatsgrenzen definieren nicht eine „Heimat“, eine ethnische Zugehörigkeiten oder regionale Kulturen. Nirgends auf der Welt wurden und werden Grenzen so oft verschoben wie in Europa und nirgends gibt es auf so engem Raum so unterschiedliche und widerstrebende Interessen. Grundsätzlich sind es wirtschaftliche Einflusszonen, die durch Grenzen definiert werden, also Zollschranken, Zugriffsbereiche auf Ressourcen und – möglichst günstige – Arbeitskräfte. So ist das Problem Europas, in diesem Flickenteppich einen „gemeinsamen Markt“ entstehen zu lassen, mit gleichen Regeln für alle „ungleichen“ Mitglieder. Hier hat Großbritannien zuerst aufgeschrien, als englische Maße auf die Europäische Norm geändert werden sollten.

 

Menschen brauchen eine Gemeinschaft

 

Das soziale Wesen „homo sapiens“ braucht eine Gemeinschaft um zu überleben, es will – ja muss – „gekannt“ werden. Allein ist es nicht lebensfähig. In Europas Industrienationen wurde es „individualisiert“, aus seiner Gemeinschaft gerissen und selbst die Großfamilie besteht heute fast überwiegend aus alleinerziehenden Einzelgängern. Tausend Freunde umfasst die „soziale Gruppe“ bei Facebook, aber die Nachbarn im Hochhaus sind unbekannt. Damit sind die Menschen leicht verführbar für Nationalisten, die ihnen eine „Volksgemeinschaft“ versprechen, die aber wiederum nur eine Wahnvorstellung ist und den Einzelnen erst recht in der Masse verschwinden lässt. Hier verliert er nicht nur seine „Persönlichkeit“ sondern auch jedes Verantwortungsgefühl gegenüber allem, was diese „Gemeinschaft“ anstellt. Als anonymes Wesen ist er sowohl der ideale Konsument – von Dingen, die er niemals braucht – als auch perfekt zu instrumentalisieren. Die Auswüchse dieser „Volks- oder Glaubensgemeinschaften“ können wir in der Geschichte des Westens ausführlich studieren.

Die ideale Gemeinschaft umfasst maximal 2000 Personen, in Form eines Dorfes oder eines Quartiers in der Stadt. Jeder von uns kennt die Animositäten zu den Einwohnern des Nachbarortes oder der zahllosen Viertel, der „Kieze“, in den Städten. Ist so eine Gemeinschaft aber stabil – im weitesten Sinne autark – dann kann sie auch entspannt mit anderen Gemeinschaften kommunizieren und Waren und Leistungen tauschen. Diese Erfahrungen sind seit Millionen Jahren in unserem kollektiven Gedächtnis als ideale Lebensform gespeichert. Alles, was dieses Gefühl der Geborgenheit behindert, macht uns unsicher und damit manipulierbar. Die Konsumwelt verführt die Menschen seither mit Ersatzgemeinschaften, dem Gefühl der Zugehörigkeit zu imaginären Gruppen oder „Klassen“, einer künstlich geschaffenen Gesellschaft. Das macht uns zu willigen Konsumenten, zu Süchtigen ohne Verstand und Vernunft.

 

Die Lösung kann nur die Auflösung sein

 

Der Zerfall der europäischen Union, aktuell in imaginäre Nationalstaaten, ist der Beweis, dass die Bürger das Gefühl haben, von ihren gewählten Vertretern, den Institutionen, verraten worden zu sein. Auf der Insel jenseits des Ärmelkanals erinnern sich die Bewohner der ländlichen Gegenden – und die Älteren – an „ihre Gemeinschaft“ und wählten den Rückzug aus der Illusion einer Gemeinschaft der Europäer. Die Jungen hängen noch dem Traum der großen Freiheit nach, die es so nie gab und nie geben kann, zumindest nicht unter dem Diktat dieser kannibalischen Ökonomie. Sie drängen nach außen, dem Strom der Flüchtlinge entgegen.

Eine wirklich harmonische Weltgemeinschaft wird es erst dann geben können, wenn an jedem Ort auf diesem Planeten die Menschen wieder auskömmlich und in Harmonie mit ihrer Mitwelt – der sogenannten Natur –  leben können. Das verhindert seit 500 Jahren die westliche Mafia der Ökonomie, die brutal eben jene „Staatsgrenzen“, also die jeweils gewünschten Einflusszonen ziehen lässt. Die „Revolution“ dagegen hat mit der Welle der Flüchtlinge schon längst begonnen und begann in Europa nun erneut auf der britischen Insel. Wenn der Rest der EU schnellstmöglich zu einer Union der Bürger wird und nicht mehr die der Konzerne, dann könnte aus dem bunten Flickenteppich eine Gemeinschaft der Menschen werden, global und friedlich.

 

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-06/brexit-london-eu-austritt-generationen

http://taz.de/Essay-Brexit-und-Rechtspopulismus/!5313212/

das „Leben“ ist mehr als Politik

http://www.erzwiss.uni-leipzig.de/fruehkindliche-entwicklung-und-kultur/forschung

http://taz.de/Kinder-und-Jugendliche-in-den-USA/!5304995/

http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-05/ttip-freihandel-risiko-kapital-sozialdienste