Bisher brauchte es Krisen, um die Transformation zu einer nachhaltigen, also solidarischen Entwicklung zu schaffen.
Dieser Artikel wurde am 23. September 2015 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Auf der einen Seite erkämpfen die transkontinentalen Konzerne ihre „Freiheit“ zur Machtausweitung mit Abkommen, wie TTIP oder Ceta und auf der anderen Seite entsteht mehr und mehr – oft nolens volens – eine Gegenbewegung hin zu regionaler Unabhängigkeit und vollständige Lösung von eben dieser monopolistischen, ja imperialistischen Marktmacht. Professorin Rosangela Alves de Oliveira (Prof. Föderale Uni. Natal), Professor Paul Singer (Staatssekretär für Solidarische Ökonomie Brasilien), Dr. Flavio Chedid (Nukleus für technische Solidarität Uni Rio de Janeiro) stellten insbesondere die stetig wachsende Bewegung solidarischer Ökonomie in Brasilien vor, mit Augenmerk auf die globale Ausbreitung.

Bisher gelangen Transformationen zu Solidarität aus Krisen

Paul Singer, einer der Wegbereiter solidarischer Ökonomie in Brasilien, beschrieb die brasilianische Transformation aus der totalen Abhängigkeit von den Zwängen der globalen Märkte durch die Not nach der ersten Ölkrise (1973) und der folgenden Finanzkrise (1981). Gerade die angeblich „befreiten“ Kolonien wie die Länder Südamerikas befanden – und befinden – sich nach wie vor in der Rolle der Lieferanten billigster Rohstoffe und landwirtschaftlicher Produkte, billig gehalten durch Ausbeutung der Landarbeiter, also faktisch Sklaverei. Versuche, sich aus dieser Vergewaltigung zu befreien wurden in der Regel mit Gewalt – durch die Vertretermacht der Konzerne, der USA – unterdrückt. Brasilien hatte bis 1985 noch die von den USA geförderte Militärdiktatur. Die Abhängigkeit von den globalen Finanzmärkten, also dem Geld der Kolonialmächte, deren Abnahme der Billigprodukte und gleichzeitig die Verpflichtung, Energierohstoffe, wie Öl und Gas einzuführen, macht die so genannten Schwellenländer grundsätzlich ökonomisch extrem instabil. Die Folgen in diesen Krisen waren Zahlungsunfähigkeit, extreme Arbeitslosigkeit, Hunger und sich daraus wiederum verstärkende Abhängigkeit von den Finanzmärkten.(http://www.sinsys.business.t-online.de/singer.pdf).
Die Lösung für Brasilien schaffte Paul Singer, indem er die Regierung dazu brachte, Kleinbauern und Handwerkern Wege zu genossenschaftlichen solidarischen Strukturen zu eröffnen, um insbesondere ländliche Regionen autark zu machen, also aus der Abhängigkeit zu lösen. Die Abhängigkeit von den durch die Krise exponentiell verteuerten Ölimporten konnte Brasilien zum Beispiel durch die massive Nutzung von Ethanol – aus Zuckerrohr gewonnen – erreichen, in der Landwirtschaft durch den Verzicht auf ebenfalls ölabhängige Agrochemie. Inzwischen jedoch hat sich leider an anderer Stelle, im Mato Grosso, eine andere „Lösung“ aus der Abhängigkeit entwickelt, durch gigantische Agrarfabriken, die auch noch fast ausschließlich für den Lebensmittelexport riesige Flächen bearbeiten (https://www.energieleben.at/bananen-statt-stahl-und-jute-statt-plastik-die-revolution-ist-ueberfaellig/).Die Gefahr der Krisen ist ebenfalls, dass ein Ausverkauf des Landes an ausländische Großinvestoren, in der Regel die Agrokonzerne stattfindet und sich dadurch die globale Situation der Menschen und der Mitwelt nur verschlimmert.

Kuba wurde 2006 vom WWF zu dem Land mit der weltweit höchsten Nachhaltigkeit erklärt

Das kubanische Wunder besteht unter anderem darin, dass das Land, nachdem es die US-Mafia aus dem Land geworfen hatte, über 50 Jahre der totalen Blockade des „freien Marktes“ und den permanenten, auch militärischen Angriffen standgehalten hat. Man stelle sich vor, Deutschland wäre nach dem Krieg von den Siegermächten gezwungen worden, sämtliche Industrie stillzulegen und als reines Agrarland ausschließlich für den Eigenbedarf zu produzieren. Einzig Kohl und Kuckucksuhren dürften exportiert werden. Umringt von aufstrebenden Ländern, in die niemand reisen dürfte, wäre dies kein leichter Stand gewesen.
Nachdem Kuba nun aber nach der feindlichen Übernahme auch der sogenannten sozialistischen Bruderländer durch den nun entfesselten Raubtierkapitalismus (die neoliberale Revolution) ab 1989 nicht einmal mehr irgendetwas exportieren konnte und daher auch keine Devisen mehr hatte, um etwa Öl oder Agrarchemie für die riesigen Zuckerrohrplantagen, die noch seit der Kolonialzeit „konventionell“ bewirtschaftet wurden, zu kaufen, war es absolut auf sich gestellt. Bisher wurden über 70% der Lebensmittel importiert, weshalb sofort eine Hungersnot ausbrach. Unbeachtet vom Rest der Welt besannen sich jedoch die ehemaligen Kleinbauern auf die alte Art der Landwirtschaft, ohne Chemie und sogar ohne Öl, weder für den Traktor noch für Wärme oder Strom. Innerhalb von drei Jahren gelang die landesweite Umstellung auf eine nunmehr solidarische Landwirtschaft kleinbäuerlicher kollektiv bewirtschafteter Betriebe, die seitdem das gesamte Land mit allem beliefern, was benötigt wird. Selbst in den Städten werden Obst und Gemüse gezogen. Im Grunde hat Kuba das vorweggenommen, was in wenigen Jahren dem Rest der Welt droht, wenn der Kampf um die letzten Erdölreste beginnt. Kuba ist inzwischen komplett unabhängig, notgedrungen – aber stolz.
Wie lange Kuba sich nun, da die Amerikaner – und natürlich die restlichen transkontinentalen Konzerne – die Mauer um die Insel geöffnet haben, gegen die Angriffe der Mafia wehren kann, ist nicht abzusehen. Das Land verfügt, wie es der WWF mit seiner Auszeichnung erklärte, über einen Wohlstand, der in noch keinem der Industrieländer erreicht wurde. Es ernährt seine Bürger komplett mit bezahlbaren Lebensmitteln in höchster „Öko-Qualität“, bietet ein weltweit einzigartiges kostenloses Gesundheits- und Bildungssystem und den Bürgern soziale Sicherheit.

Bleiben Demokratie und Freiheit auf der Strecke?

Der Ruf nach Freiheit und Demokratie aus den sogenannten demokratischen Industriestaaten ist sicher zynisch. Bisher wurde jeder Krieg auf diesem Planeten von den absolutistischen – kapitalistischen – Ländern vom Zaun gebrochen, um Rohstoffe zu erobern, Märkte zu erschließen und „freien Handel“ – allerdings nur für sich – zu garantieren. Kein System verteidigt seine Interessen brutaler und Menschenverachtender, als die sogenannten Demokratien. Kein System hat je die gesamte Mitwelt respektloser ausgebeutet und zerstört, bis hin zur atomaren Verwüstung. Nicht ohne Grund bezeichnet Professor Jean Ziegler dieses System als absolutistisch und kannibalistisch. Selbst die angebliche Meinungsfreiheit ist niemals absolut garantiert, jede wirklich systemkritische Meinung (gegen das Staatssystem, also „Verfassungsfeindlich“) wird unterbunden, besonders, wenn sie „von Links“ kommt – auf der anderen Seite ist man da erheblich nachsichtiger.
http://www.forum-csr.net/News/8710/KubasstilleRevolution.html
https://amerika21.de/termin/2014/05/101412/oeko-landwirtschaft-kuba
http://www.fr-online.de/politik/kuba-ochsen-brauchen-keinen-diesel,1472596,11025900.html
http://www.biothemen.de/Oekologie/spezial/cuba.html
http://gen-europe.org/de/aktivitaeten/nachrichten/neuigkeiten-detail/artikel/filmtipp-voices-of-transition/index.htm
http://taz.de/Wettkampf-um-Milchpreise/!5228926/