Eines der Foren des Kongresses SOLIKON 2015, mit dem Arbeitstitel: „Was kommt nach dem Kapitalismus?“ sollte Konzepte zu einer neuen Wirtschaftsweise aufzeigen. Die Referenten Ulrike Herrmann (Wirtschaftsredakteurin taz), PD Dr. Ralf Ptak (KDA Nordkirche, Uni Köln, Plurale Ökonomie, Beirat von Attac D,), Harald Bender (Akademie Solidarische Ökonomie) und Moderator Norbert Bernholt (Akademie SÖ) bissen sich allerdings bald an Ulrike Herrmanns provokanter Definition des Kapitalismus und der eher resignierenden Feststellung, dass dieser nur durch sich selbst, durch das stoßen an die „natürlichen Grenzen“ kollabieren kann fest.
Was ist denn überhaupt „Kapitalismus“?
Es zeigte sich, dass Diskussionen, wenn Begriffe nicht eindeutig zu definieren sind oder alle über das gleiche zu reden meinen, aber doch anderes denken, schwierig werden. Ulrike Herrmann beharrt auf ihrer Behauptung, dass der Kapitalismus mit der Industrialisierung in England, also vielleicht 1712 mit der Erfindung der ersten Dampfmaschine (1769 durch James Watt verbessert) begann. Das ist allerdings sehr kurz gedacht und beschreibt nur die letzte Phase der Explosion technischer Entwicklungen, die bis heute in eine völlige Parallelwelt führt, die mit dem „Sein“ an sich (philosophisch „ens“) nichts mehr gemein hat. Definitionen zum Kapitalismus sind allerdings tatsächlich sehr zahlreich und umstritten.
Kapital bedeutet zuerst und grundsätzlich einmal Geld, abgesehen von weiteren etymologischen Herleitungen. Somit kann man ohne weiteres den Beginn der Machtausübung durch Kapital in die frühe Antike legen, als die Griechen begannen, Soldaten zusätzlich zu kaufen, mit Geld, das sich leichter transportieren lies als irgendwelche Lebensmittel oder Waren. Das Geld musste natürlich auch außer Landes anerkannt werden, also einen vereinbarten Wert haben, damals war dies Gold. Das System begann mit der Besoldung von Söldnern und letztlich wie eine klassische Schutzgelderpressung und damit also dem System der Mafia. David Graeber beschreibt das anschaulich in seinem Buch: „Schulden – die ersten 5000 Jahre“ und von Jean Ziegler wird das kannibalische System in all seinen Veröffentlichungen bekämpft. Heute hat Geld tatsächlich überhaupt keinen Wert mehr – der verpflichtende Gegenwert in Gold wurde 1971 von Präsident Nixon aufgehoben – , dieser beruht heute lediglich auf einer Vereinbarung über eine Schuld.
Natürlich beschleunigt sich die Machtausübung – durch die Macht des Geldes – mit dem Beginn des globalen Imperialismus, also der Entdeckung Amerikas und der beginnenden brutalen Ausbeutung der Bodenschätze weltweit. Die sicherlich kabarettistisch gemeinte Aussage, es sei ja nicht alles schlecht am Kapitalismus, zum Beispiel das Gesundheitssystem und der allgemeine Wohlstand wird natürlich auch von den „Fachleuten“ anders beurteilt und erinnert – vielleicht gewollt – an Rechtfertigungen des „Dritten Reiches“. Der – ebenfalls gern provokante – Dokumentarfilmer Michael Moore hat diese Fragen genau anderslautend beantwortet, beispielsweise, dass sich Amerikaner nicht ohne Grund lieber in kubanischen Krankenhäusern behandeln lassen, als im Land des Hochkapitalismus, oder gehen gar in die wunderbaren Hospitäler der Navajo-Indianer. Fortschritt, soweit es sich wirklich um eine Verbesserung und nicht bloß eine Entfernung im Sinne von „hinfortschreiten“ handelt, geht also niemals zwingend mit einem System wie dem Kapitalismus einher. Fast alle Fortschritte in diesem System waren Geschäftsideen, die in der Regel keine Verbesserung, sondern all die bekannten Verschlechterungen gebracht haben. Grundsätzlich ist es bei allen derartigen Betrachtungen hilfreich, ein Problem nicht mit den Scheuklappen der Fachkundigen zu betrachten, sondern transdisziplinär, eben mehr aus der Sicht des Philosophen. Die Beurteilung der Welt nach westlichen Maßstäben führt nun einmal zu dem Chaos, dem Kannibalismus und letztlich der Völkerwanderung, die wir aktuell erleben (siehe auch: http://info.arte.tv/de/staatsschulden-system-ausser-kontrolle).
Und was kann danach kommen?
Liest man Berichte über das Gebaren der „Eroberer“ der Kolonien, die ihren Kannibalismus wie in einem Rausch auslebten, fühlt man sich an Berichte über Junkies im Drogenrausch erinnert. Genau das ist aber das aktuelle Problem dieses Planeten. Die Mafia als Dealer hat die Menschen in einen Rausch versetzt, zu Konsumjunkies gemacht, denen natürlich der dringend erforderliche Entzug schwer fällt. Alle Analysen und Vorschläge klingen dann auch wie Aussagen Süchtiger, wie man vielleicht ein bisschen und ganz langsam von der Spritze lassen könne. Menschen der Industriestaaten, mit ihrer christlich abendländischen Art die Welt zu sehen, befinden sich auf einem Trip und sind mitnichten in der Lage auch nur Ratschläge zu einer Veränderung zum Besseren zu geben. Sie sind nun einmal mitschuldig an der allgemeinen Verwüstung und eben auch am Tod der Kinder, ob alle drei Sekunden an Unterernährung oder zu Tausenden auf der Flucht.
Es waren natürlich Frauen der eigentlichen Landbesitzer in Südamerika – wenn auch sie selbst sich nicht als Besitzer bezeichnen, sondern als „Bestandteil“ des Landes – also der indigenen Völker, die sich zusammenschlossen und Stück für Stück erfolgreich ihr Territorium von Ölkonzernen und Mafiabossen (Großgrundbesitzer) zurückerkämpfen. Frauen, die ganz natürlich noch ein direkteres Verhältnis zu Land, zu Boden und dessen Früchten haben und traditionell in Gemeinschaften entscheiden – auch wenn ihre Machomänner nach außen gern das Gegenteil zeigen. Aminata D. Traore (ehem. Kulturministerin in Mali) beschreibt diese weibliche Art der „Wahrnehmung“ des Seins zum Beispiel in ihrem „Brief an meine Schwester im Senegal“ (siehe auch: LE MONDE diplomatique September 2015). Es waren auch Frauen, die in Aristophanes´ Komödie Lysistrata die Männer zwangen, den endlosen und unsinnigen Krieg zu beenden. Es gab Frauen, die ihren Söhnen – IS-Kämpfern – das Gewehr aus der Hand rissen und sie „nach Hause“ holten. Selbst Angela Merkel merkt plötzlich diese Macht in sich und stellt fest, dass Horst Seehofers Land „nicht mein Land ist“.
Dieser „Kapitalismus“ ist in Wahrheit eine Machoangelegenheit, testosterongesteuert und ein Ersatz für tatsächliche Macht, eben eine Droge – und genau so verhalten sich alle „Kerle“, die „an der Spitze“ angekommen sind.
Es braucht also keine komplexen Konzepte für eine Transformation, keine Politik der kleinen Schritte oder lange Diskussionen, gar basisdemokratische Entscheidungen, die möglicherweise in fatale Richtungen führen können, wenn die Mehrheit der Süchtigen entscheiden soll. Auch oder gerade Nachfahren der alten Germanen haben noch die Erinnerung und das Gefühl in sich, wie eine Gemeinschaft friedlich auf einem Territorium – der Allmende – wirtschaften und leben kann. Ob inzwischen ein wenig mehr an Technologie die Umstände „verändert“ hat, spielt keine Rolle. Ein Lächeln, eine freundliche Handlung (O-Ton Angela Merkel) bewirkt immer noch mehr als Argumente, die vom Gegenüber ohnehin anders aufgenommen werden, als vom „Sender“ gewollt.
Frauen müssen nicht zu kessen Vätern mutieren, sondern einfach „ihren Jungs“ die Waffen – oder das Geld – aus der Hand nehmen und sie nach Hause holen. Der Krieg ist vorbei, die Welt verwüstet, es ist an der Zeit, sie, die Mutter Erde wieder aufzubauen.
http://www.deutschlandfunk.de/wirtschaftspolitik-warum-der-kapitalismus-im-prinzip-nicht.1184.de.html?dram:article_id=313835
https://www.plurale-oekonomik.de/home/
http://www.akademie-solidarische-oekonomie.de/index.php
http://www.navajo-nsn.gov/