Braucht es eine Alternative zum Wirtschaftswachstum, um die Erde nachhaltig zu retten?
Dieser Artikel wurde am 21. Januar 2021 veröffentlicht
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Im Unterbau der Umweltbewegung hat sich in den letzten Jahren eine Strömung entwickelt, die über die Klimakrise hinausdenkt und eine tiefgreifende Reform des Wirtschaftssystems andenkt. Unter dem Label „Degrowth“ versammeln sich verschiedene Ansätze. Gemeinsam haben sie, dass sie im  kapitalistischen Streben nach stetem Wachstum kein Potenzial sehen, dass Wohlergehen aller zu fördern und die ökologischen Lebensgrundlagen zu sichern. Nicht-Wachstum statt Wachstumszwang steht im Zentrum von “Degrowth”.

Die Idee des Nicht-Wachstums ist ein wenig irreführend. Denn ein Einfrieren der Größe der bestehenden Wirtschaft und kein weiteres Streben nach Wachstum wird hier nicht gefordert. Angesichts des Ausmaßes der ökologischen Krise und der Tatsache, dass die ärmsten Nationen ihre Volkswirtschaften entwickeln müssen, um auf ein würdiges Existenzniveau zu kommen, müssten die reichsten Nationen ihren Bedarf an Ressourcen und Energie radikal reduzieren. Keine Rezession also, sondern „Degrowth“ bedeutet eine Phase geplanten und gerechten wirtschaftlichen Schrumpfens in den reichsten Nationen. So könnte ein weltweit stabiler Zustand erreicht werden, der innerhalb der biologischen und physikalischen Grenzen der Erde operiert.

Manche Denkansätze zu Degrowth gehen nicht nur auf volkswirtschaftliche Vorgänge ein, sondern beziehen auch eine alltägliche Lebensweise mit ein. Weniger Produktion steht dabei in engem Zusammenhang mit Konsum. Menschen sollen bescheidenere Material- und Energiebedürfnisse entwickeln. So geht es um eine Wirtschaft, die auf Suffizienz basiert. Man sollte wissen, wie viel genug ist, um gut zu leben, und zu entdecken, dass genug genug ist. Die Auswirkungen auf den Lebensstil sind dabei viel einschneidender als die viel diskutierten Formen des nachhaltigen Konsums. Erneuerbare Energieformen oder Recycling sind alles notwendige Bestandteile dessen, was Nachhaltigkeit von uns verlangt, aber diese Maßnahmen sind bei weitem nicht genug.

In einer „Degrowth“-Gesellschaft würden wir uns bemühen, unsere Volkswirtschaften so weit wie möglich zu lokalisieren. Dies würde dazu beitragen, den emissionsintensiven Welthandel zu reduzieren. Wo immer möglich, bauten wir unsere eigenen Lebensmittel an, bewässerten unsere Gärten mit Regenwassertanks und verwandelten unsere Nachbarschaften in essbare Landschaften. Durch Formen der direkten oder partizipativen Demokratie würden wir unsere Volkswirtschaften organisieren, um sicherzustellen, dass die Grundbedürfnisse aller erfüllt werden, und dann unsere Energien von der wirtschaftlichen Expansion wegleiten. Das Resultat wäre eine relativ energiearme Lebensweise, die hauptsächlich mit erneuerbaren Energiesystemen betrieben wird: Mehr Sharing Economy, mehr Recycling (vor allem auch was Kleidung betrifft), mehr Heimwerken und Maker Kultur, energiesparender Wohnbau und kommunales, kooperativer Wohnen wären ein paar der Grundpfeiler einer solchen Alternative.

Kritiker der „Degrowth“ Idee halten entgegen, dass nicht eine Abkehr von Wachstum, sondern kluge Regularien eine grünere Zukunft garantieren. Eine Studie der Wirtschaftswissenschaftler Joseph Shapiro und Reed Walker über die USA kam zum Ergebnis, dass, Änderungen der Umweltvorschriften anstelle von Änderungen der Produktivität und des Handels für die meisten Emissionsminderungen verantwortlich seien. Wachstum und das Bewältigen der Klimakrise dürften also nicht getrennt werden, so das Gegenargument. Ein Abweichen vom Wachstums-Mantra wird dabei nicht akzeptiert. Die Logik hier folgt streng dem kapitalistischen Grundgedanken, dass im Zentrum der Unternehmer steht, der bei reduziertem Konsum weniger Arbeitsnehmer einstellt, was wiederum zu steigender Arbeitslosigkeit und einem Zusammenbruch des Systems führt. Ein Modell, wie Degrowth, das Wachstum nicht ins Zentrum stellt, erscheint dabei radikal. Die Kritiker der Degrowth-Idee mögen dabei recht haben. Ob das Argument, dass Wachstum und die Bewältigung der Klimakrise erfolgreich kombiniert werden können, ist jedoch fraglich. Der Sonderbericht 1,5 °C globale Erwärmung des Weltklimarats geht davon aus, dass die Treibhausgasemissionen sehr schnell gesenkt und darüber hinaus Kohlenstoffdioxid in sehr großem Umfang aus der Erdatmosphäre entfernt werde muss, um irreversible Schäden durch die globale Erwärmung zu vermeiden.


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