Handy immer mit dabei? Wie Digital Detox sich positiv auf deinen nächsten Urlaub auswirken kann – Foto: © Jan Vašek / Pixabay
Handy immer mit dabei? Wie Digital Detox sich positiv auf deinen nächsten Urlaub auswirken kann – Foto: © Jan Vašek / Pixabay
Wie sehr wir daran gewöhnt sind, uns zu jeder Zeit auf unser mobiles Netz zu verlassen, zeigt sich erst, wenn wir es nicht mehr haben. Dass Digital Detox aber nicht nur Verzicht heißt, sondern uns ermöglicht, sich auf die Wurzeln des Reisens zu besinnen, das zeigt nicht nur der Kurztrip unserer Redakteurin, sondern auch eine aktuelle Studie. Warum Reisen ohne Handy glücklicher macht.
Dieser Artikel wurde am 9. Dezember 2019 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Unlängst war unsere Redakteurin L in Luzern. An sich eine sehr fortschrittliche Gegend in der Schweiz. Für L war es jedoch, als sei sie in die Vergangenheit gereist. Denn: Dank des Wegfalls von EU-Roaming gewöhnte sich L in den letzten Jahren nämlich schneller an durchgängig mobiles Netz in der Europäischen Union als sie „Urlaub“ sagen konnte. Jetzt ist aber Schweiz nicht EU. Und das musste wiederum Ls Bruder vor kurzem lernen, als ihm nach einer Dienstreise in Zürich 1500 Euro Handyrechnung ins Haus flatterten – leider nicht am Diensthandy. Sondern am privaten, das – von ihm in den zwei Tagen unbeachtet – Softwareupdates runtergeladen und auch sonst im Hintergrund ein bisschen was an Daten verbraucht hat. 

Digital Detox: Wie komm ich jetzt durch diese Stadt?

Lange Rede kurzer Sinn, L war also gewappnet. Sie und ihr Reisepartner wussten, das mobile Datennetz würde für das lange Wochenende nicht ein einziges Mal eingeschaltet werden. Zwar kennt man natürlich auch in Luzern das Prinzip Wlan, allerdings will der Reisende die Stadt ja auch abseits von Hotel und Restaurant zu Fuß erkunden. Und das bedeutete schon das erste Umdenken für L. Mitten in einer Gasse nicht wissen, in welche Richtung es jetzt zur berühmten Brücke geht? Handy rausholen, Maps aufmachen … ah ja, keine Verbindung zum Internet. Dann die Brücke dank freundlicher Einheimischer doch finden, fasziniert sein, wissen wollen, wie alt sie ist, Handy reflexartig aus der Tasche holen, nachschauen wollen … ah ja, keine Verbindung zum Internet. Beim Spaziergang von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit ständig das Handy aus der Tasche holen, um zu sehen, ob eine neue WhatsApp Nachricht eingegangen ist? Auch das ließ L nach ein paar reflexartigen Checks bald bleiben. Noch schnell Facebook durchscrollen, während man mit einem Eis am Seeufer eigentlich auch dem Sonnenuntergang zusehen könnte? Nö. Unterwegs mit dem Handy herausfinden, wo in der Nähe ein gut bewertetes Restaurant den passenden Abendausklang darstellt? Fehlanzeige. 

Handylos Reisen als Digital Detox-Experiment

Wozu L sich hier aus Angst vor 1000-Euro-Rechnungen gezwungen sah, untersuchten die Verantwortlichen von theconversation.com mit 24 Freiwilligen in einer interviewbasierten Studie. Sie wollten herausfinden, wie sich digitales Detox auf eine Reise auswirkt. Der freiwillige Technologieverzicht war für einige der Teilnehmer schon im Vorhinein mit Nervosität verbunden. Die Studie zeigte, dass vor allem sehr technikaffine, handylos Reisende in den ersten Tagen des digitalfreien Urlaubs mit negativen Emotionen wie Frustration, Isolationsgefühlen und Angst zu kämpfen hatten. Insgesamt brachen sogar zwei Teilnehmer das Experiment ab, weil sie die Zeit ohne digitale Verbindung unerträglich fanden. 

Reise ohne Netz: Befreit, glücklich und vertieftes Reiseerlebnis

Wieder andere Studienteilnehmer mussten sich zwar erst auf die neue Situation einstellen, konnten aber den digitalfreien Urlaub letztlich beginnen zu genießen. Einige beschrieben, dass sie sich befreit, glücklich, aufgeregt und erleichtert zugleich fühlten. Die Probanden gaben an, dass sie das Gefühl hatten, die Momente mit ihren Mitreisenden als deutlich wertvoller einzuschätzen und dass authentische Begegnungen mit Einheimischen das Reiseerlebnis noch vertieft hatten. Ohne die ständige Unterbrechung aufgrund der digitalen Technologie waren die Reisenden voll und ganz mit ihrem tatsächlichen Urlaubserlebnis beschäftigt. Manche der Teilnehmer reflektierten durch das Experiment nachhaltig ihr Verhältnis zur digitalen Welt. Die Erkenntnis, sich nach Tagen des Digital Detox wieder mit Sozialen Medien und Co. zu verbinden und in dieser Welt eigentlich nichts verpasst zu haben – was eine unserer größten unbewussten Sorgen ist, wenn wir das Handy nicht bei uns haben –, brachte viele Teilnehmer dazu, die Idee des Digitalen Detox auch nach dem Urlaubsexperiment in ihren Alltag zu integrieren. 

Klassischer Stadtplan: Der Orientierungssinn freut sich

Die Studie von theconversation.com konnte zeigen, dass ein digitalfreier Urlaub nicht nur zum eigenen Wohlbefinden sondern auch zum bewussteren Erleben des Reiseziels beitragen kann. Und genau das stellte auch Redakteurin L in Luzern fest: So viel an – überraschendem – Umdenken es auch benötigte, so viel konnte L durch die streckenweise verbindungslosen Tage für sich mitnehmen. Stadtpläne lesen, sich mit abwechselndem Blick auf Karte und auf markante Anhaltspunkte zurecht zu finden – anstatt wie ein Zombie einem blauen Punkt auf Google Maps nachzulaufen ohne etwas von der Gegend zu sehen? Ls Sinne freuten sich darüber ebenso, wie sie sich über ein Gefühl des wieder gewonnenen Orientierungssinnes. 

Mehr Kontakt – mehr Authentizität 

Wie alt diese Brücke ist? Das wusste auch der freundliche Luzern-Einwohner, der den fragenden Touristen gleich auch noch einen Restaurant-Geheimtipp für den Abend nannte und L den Stadtort des Lokals im Stadtplan einzeichnete. Wo fährt denn hier dieser Bus weg? Könnten Sie uns bitte sagen, ob die Richtung stimmt? Ohne die Möglichkeit, alles sofort selbst mit dem Smartphone zu checken, erlebte L plötzlich etwas seit langem Vermisstes: Austausch und Authentizität! Ein ganz echtes, eindrucksvolles und nachhaltiges Urlaubserlebnis also. Und weil das so beflügelnd war, ließen Redakteurin L und ihr Partner abends im Geheimtipp-Restaurant die Handys auch gleich in den Taschen, verzichteten somit darauf, sich die Wartezeit aufs Essen mit der Facebook Timeline, Instagram und Co zu vertreiben und redeten. Miteinander – anstatt mit der Community. Tauschten sich Aug in Aug über das Erlebte aus. Und verloren – mangels ständigem Blick auf die digitale Uhr am Smartphone – endlich wieder einmal ein bisschen die Zeit dabei. Und das, obwohl es hier im Restaurant natürlich WLan gab. 

Quellen: theconversation.com / Foto: © Jan Vašek / Pixabay 


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