Wer seinen ökologischen Fußabdruck verringern will, sollte in die Stadt ziehen. Das Leben auf dem Land ist nicht nur umweltschädlich, sondern auch ungesünder und volkswirtschaftlich bedenklich, verkündet der Harvard-Wirtschaftsprofessor Edward Glaeser.
Dieser Artikel wurde am 5. Dezember 2013 veröffentlicht
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In einem Buch mit dem Titel Triumph of the City: How Our Greatest Invention Makes Us Richer, Smarter, Greener, Healthier, and Happier wird wahrscheinlich keine idyllische Beschreibung des Landlebens zu finden sein. Edward Glaeser hat das auch gar nicht vor, denn schließlich sind die Städte in der menschlichen Geschichte der Nährboden für wirtschaftlichen Fortschritt, Innovation und Wohlergehen. Städte sind aber auch, so Glaesers These, umweltfreundlicher als ihre begrünten Vorstädte und das naturnahe Leben am Land.

Wer die Natur liebt, bleibt in der Stadt

In einem Artikel gibt Glaeser zu Beginn eine Anekdote über Henry David Thoreau wieder: Bei dem Versuch, mit der Natur zu kommunizieren, setzte der Philosoph rund 120 Hektar Wald in Brand. Edward Glaeser meint, dass die Geschichte eine passende Analogie zum menschlichen Wunsch ist, in oder in der Nähe der Natur zu leben. An sich wäre das ja eine idyllische Vorstellung, die Realität widerspreche aber der Vorstellung. Glaser warnt, dass der Mensch eine zerstörerische Spezies sei. Wer die Natur wirklich liebe, sollte ihr am besten fern bleiben. Denn Stadtbewohner würden 40 Prozent weniger Energie als Landbewohner verbrauchen – und dabei deutlich mehr Geld erarbeiten.

Glaeser beruft sich dabei auf eine Fallstudie, die die Einwohner Bostons mit jenen aus den Vorstädten der Ostküsten-Metropole vergleicht. Der durchschnittliche Haushalt in der Vorstadt erzeugt demnach sechs Tonnen mehr CO2 in einem Jahr als der durchschnittliche Haushalt in der Stadt. Größere Häuser, höherer Energieverbrauch und der vermehrte Transportbedarf lassen die Vorstadtbewohner umweltschädlicher leben als die Städter.

Verheerende CO2-Bilanz der Vorstadt- und Landbewohner

Das Ergebnis der Studie stimmt mit den Daten der Website Abogo überein, die die CO2-Bilanz von Haushalten nach der Adresse misst. Je weniger urban, desto mehr CO2 wird von einem Haushalt verbraucht, lautet die Grundaussage. Bedeutet das nun, als ökologisch bewusst lebender Mensch vom Land nach Wien, möglichst in Gürtelnähe, ziehen zu müssen? Sind die Solarzellen am Dach oder der Komposthaufen oder das Heizen mit nachwachsenden Rohstoffen nur Spielereien im Vergleich mit dem Zweitauto und den alltäglichen Autofahrten?

Der Ökonom Tyler Cowen widerspricht. Er sieht in dem Verhältnis von Stadt und Land weniger ein konkurrierendes Verhältnis als ein symbiotisches Zusammenspiel. Städte sind demnach die ökonomischen Lokomotiven einer Industrie, die Menschen in die weniger dicht besiedelten, umweltschädlicheren Vorstädte drängt. Würden Stadtbewohner in einer Blase leben, wäre ihr ökologischer Fußabdruck deutlich kleiner als jener der Vorstädter – aber diese Vorstellung ist fern der Realität. Cowen macht das am Beispiel New Yorks deutlich: der Grund in Manhattan ist so wertvoll, dass die Umweltverschmutzung in andere Zonen der Stadt und in die Vorstädte verlagert wird.

Ein weltweiter Vergleich dieser US-Thesen erscheint schwierig. Nicht alle Städte sind gleich, genauso wenig wie Vorstädte ähnlich strukturiert sind. Manche Städte können als grün bezeichnet werden, weil ihre CO2-Bilanz ohne Miteinbezug der Vorstädte vorbildlich erscheint. Andere Städte weisen dagegen eine höhere innerstädtische Industrie auf und in den Vorstädten soll es – zumindest in Europa – auch öffentlichen Verkehr und zunehmend auch Fahrradwege geben.